Der Herr der Lüfte
Bombe auf die ahnungslosen Werften fallen lassen würden. Ich sah Lichterketten in allen Regenbogenfarben. Die Stadt Hiroshima. Dahinter lagen die Werften - kilometerweit Hangars, Anlegemasten, Reparaturdocks, eine Anlage, die fast ausschließlich für militärische Zwecke benutzt wurde, besonders zu dieser Zeit. Wenn wir auch nur einen Teil davon zerstören konnten, könnten wir den Angriff auf die Stadt des Sonnenaufgangs hinauszögern.
Ich weiß noch, daß ich Una Persson angesehen und überlegt habe, ob sie immer noch am Tod ihres Vaters litt. Und worüber grübelte Dutschke nach? Anfänglich hatte er Shaw gehaßt, doch nun mußte er zugeben, daß der große Kriegsherr, der Herr der Lüfte, ein Genie war und erreicht hatte, wovon viele andere Revolutionäre nur hatten träumen können. Uljanow zum Beispiel.
Es sah so aus, als begriffe der alte Mann kaum, daß sein Traum nun Wahrheit werden sollte. Er hatte so lange gewartet. Vermutlich hatte ich für ihn nun das größte Mitgefühl. Er hatte sein Leben lang auf die Revolution gewartet, darauf, daß das Proletariat sich erhöbe, und er sollte es niemals miterleben. Vielleicht kam es niemals dazu…
Shaw hatte sich interessiert nach vorn gebeugt, als wir über das Werftgelände schwebten. Er hatte eine Hand auf dem Halfter, in der anderen hielt er eine Zigarette. Sein gelber Kulihut war zurückgeschoben, und mit seinem hübschen eurasischen Gesicht wirkte er Zoll für Zoll wie der Held eines Volksmärchens.
Das Gelände strahlte hell erleuchtet, da die Männer an den Schlachtschiffen arbeiteten, die für die große Invasion in der Stadt des Sonnenaufgangs am nächsten Tag bereit sein mußten. Ich sah die schwarzen Umrisse der Hüllen und das Flackern von Acetylenlampen.
»Sind wir da?« Wieder sah der Kriegsherr, der die Geschichte verändert hatte, wie ein Schuljunge aus. »Ist das das Werftgelände, Kapitän Bastable?«
»Das ist es.«
»Die armen Männer.« UJjanow schüttelte sein weißes Haupt. »Es sind auch nur Arbeiter wie die anderen.«
Dutschke wies mit dem Daumen auf die Stadt. »Ihre Kinder werden uns dankbar sein, wenn sie größer sind.«
Das bezweifelte ich. Morgen würde es in Hiroshima viele Witwen und Waisen geben.
Una Persson schaute mich nervös an. Offenbar hatte sie ihre Zweifel an der Wirksamkeit der Bombe verloren. »Mr. Bastable, nach meinem Wissen kann eine Bombe dieses Typs theoretisch unübersehbare Schäden anrichten. Teile der Stadt könnten in Mitleidenschaft gezogen werden.«
Ich lächelte. »Die Stadt liegt fast drei Kilometer entfernt, Mrs. Persson.«
Sie nickte. »Wahrscheinlich haben Sie recht.« Sie strich über ihr glänzendes, dunkles Haar und schaute wieder auf das Werftgelände hinab.
»Gehen Sie auf tausend Fuß, Höhensteuermann!« sagte ich. »So gut es sich machen läßt.«
Nun konnten wir einzelne Leute erkennen. Männer liefen über den Betonboden, schleppten Werkzeuge und erklommen die Gerüste um die riesigen Panzerschiffe.
»Dort ist der Hauptwartungshof.« Shaw deutete in die entsprechende Richtung. »Können wir das Schiff ohne Motorkraft dorthin lenken?«
»Man wird uns bald bemerken. Aber ich will es versuchen. Fünf Grad, Steuermann!«
»Fünf Grad, Sir«, antwortete der blasse, junge Mann am Rad. Das Schiff ächzte leise, als es sich drehte.
»Machen Sie sich bereit, sie schnell hochzuziehen, Höhensteuermann!« warnte ich.
»Aye, aye, Sir.«
Wir befanden uns nun über den Wartungshöfen. Ich nahm mein Sprechrohr zur Hand.
»Kapitän an unteren Frachtraum. Sind die Hauptladeluken bereit?«
»Bereit, Sir.«
Ich drückte den Hebel, der die Sicherheitsbolzen löste.
»Sicherheitsbolzen gelöst, Sir.«
»Fertig machen, die Ladung abzuwerfen!«
»Fertiggemacht, Sir.«
Ich benutzte die Prozedur, mit der ein Schiff im Notfall leichter gemacht wurde.
Das riesige Schiff sank tiefer und tiefer durch die Nacht. Ich hörte ein seufzendes Windchen um seine Nase streichen. Ein melancholisches Windchen.
»Schützen zum Feuern bereitmachen! Erwidert das Feuer, falls Beschuß erfolgt!« Dies war für den Fall, daß wir im letzten Moment bemerkt und angegriffen wurden. Ich verließ mich auf das Überraschungsmoment durch die gewaltige Explosion, die uns genügend Zeit zur Flucht lassen würde.
»Alle Geschütze bereit, Sir.«
Shaw blinzelte mir zu und kicherte.
»Alle Maschinen bereit. Volle Kraft voraus, sobald ihr einen Knall hört!«
»Bereit, Sir.«
»Ladeluken fertig!«
»Fertig,
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