Der Herr der Lüfte
sei. Ich ging, um Olmeijer zu fragen, ob er wußte, wo Bastable war, doch der dicke Holländer hatte ihn nicht gesehen.
Ich fragte jeden in der Stadt, ob Bastable ihm über den Weg gelaufen sei. Jemand erzählte mir, er hätte spät in der Nacht einen jungen Mann zum Hafen stolpern sehen und ihn für betrunken gehalten.
Am Morgen war ein Schiff ausgelaufen. Vielleicht hatte Bastable sich an Bord geschlichen. Vielleicht hatte er sich ins Meer gestürzt.
Ich hörte nie mehr von Bastable, obwohl ich Annoncen aufgab und über ein Jahr lang Nachforschungen anstellte, doch er blieb verschwunden. Vielleicht war er tatsächlich wieder durch die Zeit geschleudert worden - in die Vergangenheit, die Zukunft oder gar in das 1903, in das er seiner Meinung nach gehörte?
Das war alles. Ich habe das ganze Manuskript abtippen lassen, es geordnet, Wiederholungen und einige unnötige Kommentare weggelassen, die Bastable beim Sprechen eingeflochten hatte, ich habe einiges klarer formuliert, wo dies möglich war, doch im Wesentlichen handelt es sich um Bastables Geschichte, so wie er sie mir erzählt hat.
Nachtrag (1907)
Seit ich Bastable begegnet bin, haben die Gebrüder Wright die Lüfte erobert, und der motorbetriebene Ballon entwickelt sich zusehends weiter. Funktelefone sind Wirklichkeit geworden, und kürzlich habe ich gehört, daß mehrere Erfinder mit einem Einschienensystem experimentieren. Wird alles Wirklichkeit? Wenn ja, so sehe ich aus egoistischen Beweggründen einer zunehmend friedlichen und bequemen Welt entgegen, denn ich werde tot sein, ehe die Welt die revolutionäre Katastrophe erlebt, die Bastable geschrieben hat. Und doch gibt es einiges, das nicht mit seiner Schilderung übereinstimmt. Die Flugmaschine schwerer als Luft ist bereits Realität, sie wird von Leuten in Frankreich und Amerika geflogen, und es geht sogar das Gerücht, man wolle damit den Kanal überfliegen! Aber vielleicht sind diese Flugzeuge nicht von Dauer oder nicht in der Lage zu großen Geschwindigkeiten oder Langstreckenflug.
Ich habe mich bemüht, eine Reihe von Verlegern für Bastables Bericht zu interessieren, doch alle halten ihn für zu fantastisch, um ihn als Faktum zu präsentieren und für zu düster für einen Roman. Schriftsteller wie dieser Mr. Wells scheinen solche Bücher gepachtet zu haben. Nur daß diese Geschichte hier wahr ist. Ich bin überzeugt, daß sie wahr ist. Ich werde Bastable zuliebe weiterhin versuchen, einen Verleger zu finden.
Nachtrag (1909)
Bleriot hat den Kanal mit einem Flugzeug überflogen! Wieder habe ich versucht, einen Verleger für Bastables Geschichte zu gewinnen, und er bat mich - wie verschiedene andere - sie umzuschreiben - mehr Abenteuer rein, eine Liebesgeschichte, ein paar wunderliche Dinge mehr - das hat er verlangt. Ich kann nicht umschreiben, was Bastable mir erzählt hat, und so verwahre ich das Manuskript vielleicht für ein weiteres Jahr in der Schublade.
Nachtrag (1910)
Bald Aufbruch nach China. Werde nach dem Tal der Morgendämmerung suchen, um es mir anzuschauen und vielleicht in der Hoffnung, Bastable dort zu finden. Er schien den Ort zu mögen und die Leute hatten, wie er erzählt hatte, gut für ihn gesorgt. In China wimmelt es heutzutage wirklich von Revolutionären, aber ich hoffe, trotzdem unbehelligt zu reisen. Vielleicht bin ich sogar dort, wenn das Land Republik wird! Gewiß sind die Dinge im Umbruch, und wahrscheinlich werden Russen und Japaner versuchen, sich weite Teile des Landes anzueignen.
Sollte ich von China nicht zurückkehren, wäre ich dankbar, wenn jemand weiterhin sich bemühte, dieses Manuskript in Druck zu geben.
M. M.
NACHWORT DES HERAUSGEBERS
Das Obenstehende war der letzte Nachtrag meines Großvaters zu dem Manuskript - zumindest der letzte, den wir finden konnten. Er kehrte aus China zurück, aber zweifellos hat er Bastable dort nicht gefunden, sonst hätte er es wohl erwähnt. Ich nehme an, daß er es nach 1910 aufgegeben hat, einen Verlag für das Buch zu suchen.
Mein Großvater kam 1914 nach Frankreich und fiel im Oktober 1916 an der Somme.
Michael Moorcock, 1971
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