Der Herr der Ohrringe (German Edition)
verschwand ins Nichts.
»Ob deine Ratschläge klug waren, oh Grauer«, sprach nun Gard Ariel und runzelte ihre Augenbrauen, »mag so mancher in der Anderen Welt alsbald bezweifeln.«
»Nun jaa«, knurrte Ganzhalb. »Aber dafür haben wir in unserer Welt nun endlich Ruhe…« Und dann wies er aus einem Fenster. »Seht! Nähert sich dort nicht der Saum des Finsterforsts?« Wieder wollte er nur ablenken!
Gard Ariel aber wandte sich an die zurückgebliebenen Zwei Blauen. »Wie also werdet ihr euch fürderhin benehmen, da die verführerische Anfechtung durch den Einen Ehering dahingegangen ist?«
Und die Zwei antworteten: »Och, den Ehering los zu sein… das fühlt sich an wie eine Befreiung von Fesseln!« Und sie lächelten leise.
Die Gefährten konnten sie gut verstehen. Denn wer in den Kreisen der Welt würde für immer einen Ehering tragen wollen?
Und Pipifax fragte: »Können wir nun endlich zurückkehren zur Couch? Sie ist doch inzwischen fertiggemeißelt?«
»Das ist sie«, lachte Ganzhalb. »Es wird zwar womöglich ein bisschen eng auf ihr – aber ich nehme an, dieses kleine Ärgernis werden wir verkraften.«
Epilog
So enden also die Zwei Erzählungen um die Zwei Herrn der Ohrringe, die Zwei Ohrringkriege und die Zwei Welten. Vieles wurde erklärt, doch anderes blieb weiterhin verhüllt. Was war vorher geschehen, was wurde mittendrin nicht erwähnt, was ereignete sich hernach? So fragten sich manche Leser in späteren Tagen. Eine der meist gestellten Fragen war: Welches Schicksal widerfuhr eigentlich den Anderweltlichen Ohrringgefährten? Jenen, die aus dieser Geschichte herausfielen, als sie sich, um jedwede Verantwortung drückend, auf den Weg zu den Farblosen Häfen gemacht hatten? Dorthin, wo Cieldran der Älteste Alberne seine Schiffe bereithielt?
Verschiedene Sagensvarianten wurden zur Legende. Einige der Gelehrten glauben, die Gefährten hätten sich in der Tat eines Schiffs bemächtigt und nach langer Seereise tatsächlich den Entrückten Osten erreicht, wo Ganzhalb sich wieder seinen Jungennamen Odoldrin zugelegt hätte, die anderen Reisenden aber niemals so glücklich geworden wären, wie man es eigentlich in einem Segensreich hätte erwarten können.
Andere Weise nehmen an, die Anderweltlichen Gefährten hätten gar nicht die Häfen erreicht, stattdessen auf schattigen Sandstränden herumgelungert, um dann später wieder ihre angestammten Plätze einzunehmen – da die Helden dieser nunmehr zu Ende erzählten Geschichte ja zurückgekehrt waren in ihre ursprüngliche Mittelmäßige Welt.
Manche aber behaupten, sie wüssten, dass die Anderen Ohrringgefährten auf einer längst vergessenen Lichtung der Dimensionspforte begegneten, derweil diese verführerisch glimmte. Und sie wären in sie hineingesprungen.
Eine dieser Geschichten aber wird womöglich dereinst erzählt werden.
Viele Leser machten sich überdies Sorgen um die Anderweltliche Awon, die von ihrem Spiegelbild in den Schlund gestoßen worden war. Doch sie mögen beruhigt sein: Awon verbrachte ein Zeitalter des glückseligen Tändelns in den Tiefen und machte allerlei unerwartete, indes angenehme Bekanntschaften.
Besonders clevere Beobachter aber grübelten: Wie war das eigentlich mit dem Anderweltlichen Allround? Der saß also in Duchfal, rekonstruierten sie, und erfreute sich an allen Echten Einen. Gut soweit. Aber: Er war es doch gewesen, der mittels seiner gekrakelten Botschaft die Gefährten überhaupt erst zu ihrer die Weltengrenzen durchdringenden Abenteuerfahrt überredet hatte – doch offenbar konnte er sich an sein Tun nicht erinnern, zumindest wurde irgendetwas darauf Hindeutendes im Laufe der Erzählung nicht ein einziges Mal erwähnt. Dies indes liegt an den kniffeligen Gesetzmäßigkeiten, die Geschichten von Raum- und Zeitverschiebungen nicht selten vorweisen: Der Halb-Alberne hatte seine Botschaft ursprünglich ja verschickt, nachdem seine Version der Mittelmäßigen Welt in den Schlund von Düsternis gefallen war, da der Anderweltliche Saurum obsiegt hatte. Und Allround sandte sein Hilfegesuch durch Raum und Zeit, damit dieser Zustand niemals Realität würde und die Niederlage der Guten Seite abgewendet werden mochte. Und da sein Plan aufging – jenseits aller Hoffnung, wie betont werden sollte – konnte er nie jemals den Tag des endgültigen Untergangs erleben und musste somit auch nicht den armen Sendboten losschicken.
Darüber könnte man verrückt werden, nicht wahr? Aber keine Sorge: auch das passiert
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