Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
wehtat, aber ich achtete nicht darauf. »In dieser Nacht waren Bewaffnete in das Heiligtum Borons eingedrungen und begingen das Sakrileg, sich gegen den Gott der Gerechtigkeit zu erheben. Sie kämpften sich blutig bis an den Reliquienraum heran. Alle Priester stellten sich ihnen in den Weg, unbewaffnet oder nicht, alle wurden erschlagen bis auf diesen einen. Sein Blut war Teil der Spur, die diese Unnennbaren hinterließen. Kennst du die Statue Borons im Tempel zur Kronstadt?«
Ich nickte nur. Ich hatte den Tempel nie betreten, aber er war nicht groß, vom Tor aus konnte man die Statue gut erkennen. »Dort trägt Boron keine Keule, sondern ein Schwert. Der oberste Diener Borons nahm genau diese Waffe und stellte sich den Tätern in den Weg … Und der Gott selbst führte seine Hand.« Sie schluckte. »Außer diesem überlebte keiner der Diener Borons den Angriff.« Borons Diener waren die einzigen Priester, die Waffen führen durften, doch die Priester, die im Tempel selbst dienten, trugen nie welche.
»Was war mit den Tempelwachen?«, fragte ich leise.
Sie schüttelte den Kopf. »Heimtückisch gemeuchelt, viele von ihnen im Schlaf. Niemals hätte man erwartet, dass es jemand wagen würde, den Zorn Borons so direkt herauszufordern.«
Auch wenn man das Wirken der Götter oftmals nicht direkt erkannte, hatte ich doch keinen Zweifel an ihrer Existenz und ihrer Macht. Zu oft hatte ich schon die schwere Hand Soltars auf meinen eigenen Schultern gespürt … Mich fröstelte. Boron stand für Gerechtigkeit, aber nicht für Gnade. Diese Männer, wer auch immer sie waren, konnten selbst im Tod dem Urteil des Gottes nicht entgehen. Soltar würde ihre Seelen seinem Bruder nicht vorenthalten. Es war warm hier drinnen, im Moment aber fror ich.
»Weiß Varosch davon?«
Sie schüttelte nur den Kopf. »Ich wollte es ihm nicht erzählen. Ich bin sicher, dass er einige der Brüder im Tempel kannte.«
Ich nickte. Ich fand ihre Entscheidung falsch, aber ich konnte sie verstehen.
»Wie ging es weiter?«
»Die Unnennbaren hatten ihr Ziel nicht erreicht, aber es offenbart: eine Reliquie, die selbst bei den Priestern Borons in Vergessenheit geraten war. Es war das Schwert, das früher in der Hand der Statue geruht hatte, bis man es im sichersten Raum des Tempels verwahrte.« Sie sah hinüber zu Steinherz, dessen rote Augen kalt funkelten; fast konnte ich den Zorn des Schwertes fühlen. Steinherz war anders als Seelenreißer, deutlicher in seiner Präsenz. Fast kam es mir so vor, als wäre es mit einem eigenen Willen ausgestattet. Dafür, dass es seine Aufgabe war, dem Träger die Gelassenheit eines steinernen Herzens zu gewähren, wenn dieser ein Urteil sprach, schien es mehr an Gefühlen in sich zu tragen als jedes andere Bannschwert, von dem ich je gehört hatte. Selbst ohne Seelenreißer hätte ich dieses Schwert nie an mich genommen. Wenn ich ehrlich war, fürchtete ich mich vor Steinherz mehr als vor meiner eigenen Klinge.
»Steinherz lag in jener Kiste, die der Priester neben dem Bett der Königin hielt?«, fragte ich.
Sie nickte bloß.
»Ich dachte, es wäre das Schwert des Reichs?«
»Das dachte ich auch. Doch das Schwert, das über dem Thron an der Wand hängt, ist nur eine Kopie.« Sie hielt die Hand in die Richtung ihres Schwertes und berührte den Knauf. Sachte, fast zärtlich, fuhr sie über den kunstvoll geschmiedeten Drachenkopf, dann sah sie mich an. »Ich weiß, warum«, sagte sie dann leise. »Man darf es nicht leichtfertig aufnehmen. Es ist … unbarmherzig, wenn man es aus seiner Scheide ruft. Es kennt keine Gnade, nur Wahrheit und Gerechtigkeit. Es sieht keine Fehler nach und ist voller Zorn auf eine Welt, die nicht geordnet ist. Und sieht es als seine Pflicht an, diese Welt zu ordnen.« Sie hielt kurz inne. »Keine Gnade zu spüren, in den kalten Bahnen der Gerechtigkeit und der Vernunft zu denken ist … befreiend. Man ist im Recht und weiß es, Zweifel sind nicht möglich. Kaum etwas gibt mehr Kraft, als zu wissen, dass es so ist. Wenn es mich danach wieder loslässt, erinnere ich mich daran, wie es ist, keine Gnade zu fühlen, ein Herz aus Stein in meiner Brust zu tragen. Es hüllt meine Seele in das tiefste und dunkelste Eis, macht sie unberührbar für jede Art von Einfluss oder Zauber … und es kennt nur ein Ziel, einen Wunsch, und in diesem sind wir gleich.«
Sie holte tief Luft. »In jener Nacht kniete ich vor unserer Königin, und sie nahm meinen Schwur entgegen, aber es waren ihre Worte, die ich
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