Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
Wenn er seine Axt erhält, muss er so handeln.« Ich zog Leandra fester an mich. »Aber vielleicht muss er seine Familie nicht entwurzeln. Coldenstatt ist die jüngste und kleinste unserer Städte, doch das Land im Norden ist frei, die einzige Bedrohung dort ist die Kälte. Wenn die Feste am Pass geschlossen und besetzt ist, wird auch Thalak den Pass nicht bezwingen können, und solange die Feste selbst steht, wird Coldenstatt ein freier Ort für jene sein, die sich Thalaks Knute nicht beugen werden.«
»Und der Gasthof? Er liegt vor den Toren der Donnerfeste. Von ihm führt der Weg zum Wolfstempel! Wie sollen wir verhindern, dass Thalak die Macht des Tempels für sich nutzt?«
Ich sah zu ihr hinunter. »Wir? Wir können das nicht verhindern. Aber vielleicht jemand anders.« Ich löste mich widerstrebend von ihr. »Schreib, was du sagen willst und was ihr Kraft geben wird.«
Auf einem kleinen Tisch stand eine Schale mit Obst, dort lag auch ein Apfel. Ich nahm einen, schnitt ihn entzwei und löste mit der Spitze meines Dolches ein Samenkorn aus dem inneren Gehäuse.
»Wenn du deine Botschaft siegelst, drücke diesen Samen in das Wachs.«
Sie sah das Samenkorn in ihrer offenen Hand an und dann mich.
Ich küsste sie. »Es ist eine lange Geschichte, ich erzähle sie dir ein anderes Mal.«
Ich schloss ihre Tür leise und lehnte mich schwer dagegen. Von Hoffnung und Glauben zu sprechen war einfach. Selten hatte ich meine Worte so sehr bereut, aber bisher hatte ich auch nicht gewusst, wie unmöglich die Aufgabe war, die Leandra sich gestellt hatte. Liebe, so predigten die Dienerinnen Astartes, ist die größte Macht auf Erden. Doch gegen ein Herz aus Stein ist sie verloren.
Für meinen Geschmack waren die Gewänder hier zu leicht und zu bunt, solch kräftige Farben kannte man in meiner Heimat gar nicht. Ich hatte die Befürchtung, darin wie ein bunter Pfau auszusehen, also zog ich gedeckte, dunkle Farben vor.
Das letzte Mal hatte mir Leandra geholfen, die Gewänder für »Saik Havald« zusammenzustellen, Armin hatte ebenfalls seinen Anteil daran, auch wenn ich ihm in dieser Beziehung nicht ganz vertraute. Was ihn selbst betraf, schien er durchaus dazu bereit, mit einem Pfau in Konkurrenz zu treten.
Als unsere Gefährten vor einiger Zeit zu uns aufgeschlossen hatten, waren die Dienste eines Schneiders vonnöten gewesen. Ein paar Worte zu ihm, und er versprach mir, das zu liefern, was ich wollte. Irgendwann war ein großes, sorgsam verschnürtes Paket eingetroffen. Ich war nicht dazu gekommen, es zu öffnen, aber jemand hatte es ausgepackt und die Kleider sorgsam in dem großen Schrank verwahrt. Als ich die Türen des Schranks öffnete, konnte ich wieder nur den Kopf schütteln. Ich lebte ja nun wahrlich lange genug, aber eine solche Auswahl an Kleidern hatte ich noch nie besessen.
Ich fand, was ich suchte: dunkle weite Hosen aus feinem gewebten Leinen; ein dunkles Hemd mit weiten Ärmeln aus dem gleichen Stoff, der mir lieber und vertrauter war als Seide; neue weiche Stiefel, die tatsächlich wie versprochen auf Anhieb passten; eine weiche, aber schwere Lederweste aus drei Lagen, die mittlere aus überlappenden Stahlplättchen gefertigt – kaum der gleiche Schutz wie mein Kettenpanzer, aber besser als nichts –, darüber zog ich einen dunklen Wappenrock, allerdings ohne Wappen. Ich hatte das Recht, ein Wappen zu führen, die Rose und das Einhorn, aber das würde zu viele Erinnerungen wecken. Außerdem entschied ich mich für einen neuen breiten Gürtel mit Waffengehänge, Armschützer aus weichem, wie bei der Weste mit Metallplättchen verstärktem Leder, dazu kam ein strahlend weißer Burnus, der mich daran erinnerte, dass ich Armin fragen wollte, wie es möglich war, ein solches Weiß zu erschaffen. Bis ich nach Bessarein kam, war die hellste Farbe, die ich kannte, ein helles Grau. Eine verstärkte Stoffkappe aus dem gleichen dunklen Leinen wie Hemd und Hose, mit einem weich fließenden Nackenschutz und einem Schleier, der hier auch für Männer Benutzung fand, vervollständigte meine Kleidung und verwandelte mich in Saik Havald, einen Fürsten aus fremden Landen …
Der kleine Handspiegel aus poliertem Silber reichte nicht aus, mich in meiner ganzen Pracht darzustellen, dafür musterte ich mein Gesicht, das mir zurzeit seltsam fremd erschien.
Seelenreißer hatte mir meine Jugend wiedergegeben, dennoch hatte das Alter Spuren hinterlassen, mein Antlitz war schmaler und härter als zuvor, die tiefen
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