Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
sie so selbst zu einer Frau wurde, die anfing, ihre eigene Legende zu gestalten.
Armin hatte recht. Jeder meiner Gefährten verdiente eine eigene Ballade. Über mich gab es schon welche, aber ich mochte sie nicht hören.
Auch Armin erhielt einen Becher mit dem dampfenden Gebräu und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er sah zufriedener aus, als ich ihn bisher kannte. Die Traurigkeit, die Faihlyd in den letzten Tagen umgeben hatte, schien vergangen, und das tat auch ihm gut.
»Wird die Essera Falah etwas dagegen haben, wenn Serafine mich in den Palast begleitet?«, fragte ich ihn.
Er sah überrascht auf und schüttelte den Kopf. »Warum?«
»Sie weiß vieles, vor allem über Nekromanten«, erklärte ich ihm. »Sie sieht die Dinge anders als ich oder du. Sie ist in anderen Bereichen aufmerksam, vielleicht bemerkt sie etwas, das wir übersehen würden.«
»Meint Ihr, sie ist mutig genug, um diesen Ort zu betreten?«, fragte er leise.
»Ich glaube, sie war schon näher an meinem Gott als jeder andere, den ich kenne. Sie wird sich nicht scheuen.«
Das Reich Soltars, in das ich der Essera Falah, Faihlyds Großmutter, folgen sollte, war, wenn ich das richtig verstanden hatte, ein Reich der Toten, das die Priesterschaft des Gottes hier im Palast des Mondes mit Gebeten und priesterlicher Magie aufrechterhielt. Dort war man dem Gott und dem Tod näher, als es sonst auf dieser Welt möglich war.
Mehr konnte oder wollte mir auch Armin nicht sagen, er hatte diesen Ort auch noch nie betreten, er wurde gefürchtet, und dies mit Grund. »Der Leibarzt der Essera, der Gelehrte Perin da Halat, erklärte es mir«, sagte Armin, als ich mich ankleidete. Er hielt mir eine leuchtend rote, bestickte Weste hin und schien enttäuscht, als ich eine andere aus einfachem hellen Leinen auswählte. »Er sagt, es sei ein Ort, an dem die Lebenden Antworten von den Toten erhielten, obwohl man nicht direkt mit ihnen sprechen kann. Dennoch greift der Tod nach einem.« Er schüttelte sich leicht. »Esseri, Ihr wisst, wie sehr uns hier die Sonne verwöhnt, doch dort ist es so kalt, dass Ihr Euren Atem sehen könnt. Es gibt ihn, diesen Ort, aber man spricht nicht darüber, und mir ist nicht wohl bei der Sache.« Jetzt sah er mich an. »Wenn Ihr erlaubt, werde ich Serafine selbst fragen, ob sie uns begleiten will«, sagte er leise und etwas scheu.
Ich nickte zustimmend, er trank noch einen Schluck Kafje, stand dann auf, zögerte einen Moment und verschwand im Abgang zum Keller.
»Das muss schwer sein für ihn«, sagte Varosch leise, als er zusah, wie sich die Tür hinter Armin schloss. »Serafine zu sehen …«
»Warum?«, fragte Zokora mit ihrer rauchigen Stimme. »Sie ist seine Schwester. Er tut gut daran, sie aufzusuchen.«
»Es ist der Körper seiner Schwester, aber der Geist Serafines«, sagte Varosch. »Das ist ein Unterschied.«
Zokora zog eine Augenbraue hoch. »Ich sehe keinen.«
Sie wandte sich mir zu und griff zugleich unter ihr Gewand. Sie nahm ihren Beutel heraus und ließ ein längliches Siegel aus Gold an einer feinen Kette in ihre Hand gleiten. Ich erkannte es wieder, es gehörte der Dunkelelfe, die wir auf dem Weg vom Gasthof zur Donnerfeste in diesen dunklen Höhlen im Eis eingefroren gefunden hatten.
»Wenn wir Sieglinde und Janos durch die Eishöhlen zurück zum Gasthof führen, hast du Zeit herauszufinden, ob jemand hier etwas über diesen Clan weiß.« Sie sah mich an. »Für die Menschen hier ist meine Art ungewöhnlich, aber nicht unbekannt. Ich will wissen, wo ich meine Schwestern finden kann. Wenn sie diesem Askannon dienten, wissen sie mehr über Menschen als ich.«
Ich nickte. »Ich werde mich darum kümmern und danke dir für das Vertrauen, das du mir mit dieser Bitte erweist.«
Ihre Augenbraue hob sich noch höher also zuvor.
»Das war keine Bitte«, korrigierte sie mich. »Es ist etwas, das du tun kannst, nicht mehr.«
Varosch und ich tauschten einen Blick aus und schmunzelten. Sieglinde lachte leise.
Zokora sah uns neugierig an. »Habe ich einen Witz gemacht?«
»Es war eine Bitte«, versuchte Varosch ihr zu erklären. »Du hast ihn gefragt, ob …«
»Es war keine Frage«, unterbrach sie ihn. »Es ist etwas, das er tun kann. Wenn er es nicht tun will, kann er es sagen.« Sie schüttelte irritiert den Kopf. »Menschen sind kompliziert.«
»Warum sollte er es tun, wenn es keine Bitte ist?«, fragte Varosch. Ich erkannte, dass dies die Fortführung eines längeren Gesprächs zwischen ihnen
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