Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
von Bessarein.«
Der Junge eilte herbei, stellte die Schale vor Angus auf den Tisch und lief davon, als ob Angus ihn fangen und im nächsten Moment fressen wollte. Der Nordmann sah dem Jungen hinterher und schüttelte den Kopf. »Wenn jemand von denen mal nach Krimstinslag käme, würde ihn glatt der Schlag treffen.«
Krimstinslag, das wusste ich von Ragnar, war die Kronstadt der Nordmänner, eine Festung an einer hohen Bergflanke, wahrscheinlich nicht viel anders als die Donnerfeste. Ragnar hatte mir lachend von der Stadt erzählt. So wie er sie beschrieb, hatte man sich sehr viel Mühe gegeben, sie so gut wie uneinnehmbar zu gestalten. Es musste Dutzende von hohen Wehrtürmen geben, aber in all den Jahrhunderten hatte noch nie jemand versucht, Krimstinslag mit Waffengewalt zu nehmen. »Mit Gift oder einem geschickten Dolch im Rücken, ja«, hatte Ragnar gesagt. »Aber mit einer Armee? Die würden sich dort oben nur totlachen und mit Steinen werfen.«
Angus sah auf die Straße hinaus und musterte die Passanten in ihren leichten Leinengewändern. »Aber sie würden ihre Nasen nicht mehr über Pelze rümpfen.« Er musterte mich. »Kennst du Schnee und Eis? Hast du schon mal gefroren, ich meine, so, dass du Angst hattest, deine Eier könnten abfallen?«
Ich nickte nur. So schnell würde ich die Erinnerung an diesen Wintersturm an den Ausläufern der Donnerberge wohl nicht verlieren.
Er nahm ohne mit der Wimper zu zucken einen Schluck von dem kochend heißen Tee. »Ekliges Zeug. Es soll allerdings besser sein, in der Hitze heiß zu trinken. Habe ich gehört. Bist du immer so gesprächig?«
»Was willst du von mir, Angus Wolfsbruder?«, fragte ich.
Er wandte den Blick nicht ab und grinste nur noch breiter, seine Augen funkelten amüsiert. »Du hast keine Furcht vor mir, nicht wahr, kleiner Mann?«
Kleiner Mann.
Er war höchstens einen Fingerbreit größer als ich, allerdings genauso robust gebaut wie Janos.
»Hätte ich einen Grund dazu?«, fragte ich im Gegenzug, und er schüttelte grinsend den Kopf.
»Ich will nur wissen, wie es kommt, dass du meine Tätowierungen erkennst.«
»Ein Freund aus deinem Land hat mir von einem Kameraden mit ähnlichen Tätowierungen erzählt. Es seien magische Zeichen. Er sagte, sie gäben einem Wolfsbruder die Fähigkeit, sich in einen Wolf zu verwandeln.« Ich lächelte. »Er sagte aber auch, es seien bloß Ammenmärchen, um bei den Frauen Eindruck zu schinden.«
Angus legte den Kopf zurück und lachte schallend. »Hat dein Freund auch einen Namen?«, fragte er.
»Ja.«
Er betrachtete mich einen Moment lang prüfend und nickte wortlos. Dann wies er mit dem Kopf zum Palast des Turms. »Was willst du von denen?«
So viel also zu meiner Fähigkeit, etwas unauffällig zu beobachten. Nun gut, ich wusste schon vorher, dass ich mich nicht zum Spion eignete.
Er begegnete offen meinem Blick, und aus einer Art Eingebung heraus beschloss ich, ihm zu vertrauen. In Maßen. Ich nahm die Ledermappe heraus und legte das Bild vom Anführer der Räuber zwischen uns auf den Tisch. Er musterte es.
»Er ist ein Mörder und jemand, der Frauen entführt.«
Angus sah von dem Bild auf. »Wohl nicht, um sie zu heiraten?«
Ich schüttelte den Kopf.
Er deutete auf den Palast. »Soll er dort sein?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht.«
»Ich habe ihn noch nie gesehen. Klein, zäh und verbissen, sieht nicht aus, als ob er viel lachen würde. Solche gibt es ja hier genug, aber den da – nein.«
Ich zeigte ihm die anderen Bilder, und er schüttelte jedes Mal den Kopf, nur bei dem letzten der Männer stutzte er. »Diese Narbe hier«, sagte er und zeigte auf einen Strich am Kinn des Mannes. »Sie stammt von einem Schwertstreich, aber sie sieht aus, als hätte ihm eine Raubkatze ins Kinn gebissen. Ich habe ihn selbst nicht gesehen, aber ich hörte von einem meiner Gäste, dass ein Mann, dem man ins Kinn gebissen habe, Ärger gemacht hat und er eingreifen musste.«
»Ärger gemacht?«
Angus nickte. »Dort die Straße entlang gibt es einen etwas kleineren Palast.« Er lachte. »Wenn man das so nennen kann. Er ist bekannt als das Haus der Genügsamkeit. Rork arbeitet dort als Hüter der Ruhe.« Er sah hoch zur Sonne. »Es ist früh, aber es könnte sein, dass du Glück hast und ihn dort vorfindest. Er hütet oft das Tor. Vielleicht kann er dir helfen. Sag ihm, dass ich dich schicke.«
»Danke«, entgegnete ich. Nur um sicherzugehen, zeigte ich ihm noch das Bild von Marinae, doch Angus hatte sie nie
Weitere Kostenlose Bücher