Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
Palast war ein guter Ort, jemanden festzuhalten, ohne dass die Außenwelt etwas davon erfuhr.
Ich nahm einen weiteren Schluck Tee und schüttelte verdrossen den Kopf. Entweder würde sich jemand finden mit mehr Geduld und Zeit als ich, um das Gebäude zu beobachten, oder aber wir waren gezwungen, den Palast selbst aufzusuchen. Prinz Tarsun aus dem Haus des Turms hatte mir allerdings nicht danach ausgesehen, als ob er unsere Gesellschaft zu schätzen wissen würde.
Vom Tisch gegenüber schaute mich plötzlich ein gut gekleideter junger Mann mit Furcht in den Augen an, und er erhob sich hastig von seinem Platz. Ich wollte mich schon verwundert geben, als ich bemerkte, dass gar nicht ich es gewesen war, den er so erschreckt angesehen hatte, sondern jemand hinter mir. Ich drehte mich um und sah den Wirt der Taverne der Nordmänner dort stehen, die geballten Fäuste in die Seiten gestemmt und den Kopf leicht schräg gelegt, während er mich betrachtete. Richtig, seine Schenke lag nicht sehr weit von hier. Dennoch hatte ich nicht damit gerechnet, ihm hier in den Straßen von Gasalabad über den Weg zu laufen. Es war auch nicht verwunderlich, dass mein Tischnachbar geflohen war, denn der Wirt hatte es nicht für nötig befunden, sich vornehmer zu kleiden. Sein nackter Oberkörper war schweißgebadet, die dicken Muskeln glänzten wie frisch geölt in der Sonne, seine Tätowierungen waren hier im helleren Licht noch deutlicher zu sehen und an sich schon Furcht einflößend genug. Ich versuchte mir zu überlegen, wie er wohl auf einen der Bewohner Gasalabads wirken mochte, vor allem, da er eine Axt in einem Ledergeschirr auf dem Rücken trug. Die Waffe war fast so groß wie er selbst. Und das war wirklich sehr groß. Ich entschied, dass mein Tischnachbar aus seiner Warte heraus wohl das Richtige getan hatte. Tatsächlich überlegte ich, es ihm gleichzutun.
»Wusste ich doch, dass du es bist«, brummte der Mann mit einer tiefen Stimme wie aus einem hohlen Baumstamm. Er löste seine Axt vom Rücken, kümmerte sich nicht um die entsetzten Blicke der anderen Gäste und zog sich einen der Stühle heran »Allerdings verstehe ich nicht, wie ein Mann, der ein gutes Bier schätzt, diese Ziegenpisse trinken kann.« Er lehnte die Axt an die niedrige Umrandung und streckte sich. »Es ist eine dreimal götterverfluchte Hitze, und das Zeug lässt einen nur noch mehr schwitzen«, bemerkte er, um mir daraufhin seine Pranke hinzuhalten. »Angus Wolfsbruder.«
»Havald«, sagte ich und reichte ihm meine Hand, um zuzusehen, wie sie in seiner Pranke verschwand. Er drückte kurz, aber kräftig zu, und ich nahm mit einem deutlichen Gefühl der Erleichterung zur Kenntnis, dass ich meine Hand intakt zurückerhielt. Er streckte sich und gähnte unverhohlen, wobei er mir einen Blick auf zwei kaputte Backenzähne auf der rechten Seite erlaubte, die ihm gewiss oft den Schlaf raubten. Der Rest seiner Zähne war weiß und kräftig wie das Gebiss eines Raubtiers. Auf der rechten Wange trug er eine tiefe Narbe, wohl der Grund für den Zustand seiner Zähne.
Was mich aber am meisten beeindruckte, waren die goldenen Ringe, die er in einem Nasenflügel und gleich mehrfach in den Ohren trug. Er sah meinen Blick und lachte, sein geflochtener roter Bart tanzte dabei auf und ab. »Ein Ring für jeden Erschlagenen«, teilte er mir fröhlich mit. »Ohne meine Ringe gehe ich nicht aus dem Haus.«
Er drehte sich um und sah fordernd den Jungen an, dessen angstgeweitete Augen deutlich machten, was er von der Idee hielt, diesem fremden Barbaren mit seiner großen Axt näher zu kommen. »Das gleiche Zeug, was der hier trinkt!«, rief Angus quer durch den Raum. Wahrscheinlich hörte man ihn auch noch drüben im Palast.
»Havald, der Vergessene, oder Verfluchte. Was macht jemand wie du mit einem solchen Namen?«
»Ich trage ihn«, antwortete ich und musterte ihn neugierig. »Als ich Euch das erste Mal sah, wart Ihr nicht ganz so gesprächig.«
»Dafür haben wir uns hinterher über dich und das Weib ordentlich das Maul zerrissen«, sagte er lachend. »So was haben wir in der Stinkenden Wildsau auch noch nicht gehabt!« Er sah meinen Blick und lachte erneut. »So fein, wie die hier tun, dachte ich mir, dass es ein passender Name für meine Schenke wäre. Er stellt sicher, dass keiner von ihnen uns dort belästigt.« Er beugte sich vor, grinste breit und erinnerte in diesem Moment wirklich an einen Wolf. »Sie haben ein äußerst empfindliches Gemüt, die feinen Leute
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