Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Auenland angeht, mit denen wir es in diesen Geschichten zu tun haben, so waren sie in Zeiten des Friedens und Wohlstands ein lebenslustiges Volk. Sie kleideten sich in leuchtende Farben, besonders gern in Gelb und Grün. Schuhe trugen sie selten, denn ihre Füße hatten feste, lederige Sohlen und waren mit einem dichten Pelz von krausem Haar bedeckt, ähnlich ihrem Haupthaar, das bei den meisten braun war. Das einzige Handwerk, in dem sie nicht viel leisteten, war daher die Schuhmacherei; im übrigen konnten sie mit ihren langen und geschicktenFingern vielerlei hübsche und nützliche Dinge machen. Ihre Gesichter waren in der Regel eher breit und gutmütig als schön, mit blanken Augen, geröteten Wangen und überaus schling- und schlucktüchtigen Mündern, die immer zum Lachen bereit waren. Denn Lachen, ebenso wie Schlingen und Schlucken, und zwar ebenso oft wie gründlich, war ihnen sehr wichtig; sie waren jederzeit zu simplen Späßen aufgelegt und verzehrten gern sechs Mahlzeiten täglich (wenn es sich einrichten ließ). Sie waren gastfreundlich, hatten Freude an Festen und an Geschenken, die sie ebenso gern machten wie annahmen.
Klar ist wohl, dass die Hobbits trotz der später eingetretenen Entfremdung mit uns verwandt sind, und zwar viel näher als die Elben, näher sogar als die Zwerge. Früher sprachen sie die Sprachen der Menschen, doch mit ihrer eigenen Mundart, und hatten auch so etwa dieselben Neigungen und Abneigungen wie wir. Welcher Art unsere Verwandtschaft aber im Einzelnen war, lässt sich nicht mehr feststellen. Der Ursprung der Hobbits liegt weit in den Ältesten Tagen, einem längst entschwundenen und vergessenen Zeitalter. Nur die Elben bewahren noch Urkunden aus jenen Tagen, doch in ihren Überlieferungen geht es nahezu ausschließlich um ihre eigene Geschichte, in der die Menschen nur selten und die Hobbits überhaupt nicht erwähnt werden. Soviel immerhin wissen wir, dass die Hobbits schon lange Zeit in Mittelerde still vor sich hin gelebt hatten, ehe andere Völker sie auch nur bemerkten. Und da auf der Welt ohnehin an seltsamen Geschöpfen kein Mangel ist, mochte man diese kleinen Leutchen gut und gern übersehen. Doch in den Jahren, als Bilbo und sein Erbe Frodo lebten, wurden sie plötzlich, ganz gegen ihren Willen, weithin geachtet und berühmt und brachten die Pläne der Weisen und Großen dieser Welt durcheinander.
Jene Tage, das Dritte Zeitalter von Mittelerde, sind nun längst vergangen, und die Gestalt aller Länder ist seither eine andere; doch die Gegend, in der damals Hobbits lebten, war sicherlich dieselbe, aus der sie auch heute noch nicht ganz verschwunden sind: der Nordwesten der Alten Welt östlich des Meeres. Wo sie ursprünglich herstammten, darüber hatte sich unter den Hobbits zu Bilbos Zeit keinerlei Kenntnis mehr erhalten. Neigung zur Wissenschaft (von der Ahnenkunde abgesehen) war unter ihnen nicht eben verbreitet, doch in den alten Familien gab es hier und da noch einen, der in den Chroniken der eigenen Vorfahren las oder sogar die Berichte der Elben, Zwerge und Menschen von alten Zeiten und fernen Ländern sammelte. Eigene Aufzeichnungen hatten die Hobbits erst seit ihrer Ansiedlung im Auenland, und ihre ältesten Sagen reichten kaum weiter zurück als in die Jahre ihrer Wanderungen. Dennoch ist aus diesen Sagen und aus manchen eigentümlichen Wörtern und Gebräuchen ersichtlich, dass sie wie viele andere Völker in ferner Vergangenheit westwärts gezogen sein müssen. Ihre ältesten Erzählungen scheinen auf eine Zeit hinzudeuten, als sie in den Tälern am oberen Anduin wohnten, zwischen den Ausläufern des Großen Grünwalds und dem Nebelgebirge. Warum sie sich von dort auf den harten und gefährlichen Weg über die Berge nach Eriador machten, ist nicht mehr bekannt. In ihren Berichten ist davon die Rede, dass sich die Menschen im Lande vermehrt hätten und dass ein Schatten den Wald verfinstert habe, der seither Düsterwald heißt.
Schon bevor sie das Gebirge überschritten, hatten sich unter den Hobbits drei voneinander ein wenig verschiedene Stämme gebildet: die Harfüße, die Starren und die Fahlhäute. Die Harfüße hatten eine bräunlichere Haut; sie waren kleiner, schmächtiger und bartlos, und sie trugen keine Schuhe. Ihre Hände und Füße waren zierlich und flink, und sie wohnten am liebsten auf Hochebenen und an Berghängen. Die Starren waren breiter und stämmiger, hatten größere Hände und Füße und zogen das flache Land und die Flussufer
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