Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
fühlten sie sich am besten aufgehoben; aber im Laufe der Zeit hatten sie sich auch mit anderen Arten von Behausungen abfinden müssen. In der Regel hielten zu Bilbos Zeit nur noch die reichsten und die ärmsten Leute an den alten Wohngebräuchen fest. Die ärmsten wohnten nach wie vor in Höhlen dürftigster Art, wahren Löchern mit nur einem oder gar keinem Fenster, während die reichsten die schlichten Höhlen von einst in luxuriöser Ausgestaltung beibehielten. Geeigneter Baugrund für diese weit verzweigten Stollen (oder Smials, wie man sie nannte) war aber nicht überall zu finden, und in den Ebenen und Niederungen begannen die Hobbits, als sie zahlreicher wurden, auch oberirdisch zu bauen. Selbst in den hügeligen Gegenden und in den älteren Siedlungen wie Hobbingen, Tuckbergen oder in Michelbinge auf den Weißen Höhen, dem bedeutendsten Ort des Auenlandes, standen nun viele Häuser aus Holz, Stein oder Ziegeln. Diese waren besonders bei den Müllern, Schmieden, Seilern, Stellmachern und anderen Handwerkern beliebt, denn die Hobbits hatten schon immer Schuppen und Werkstätten gebaut, auch als an Wohnhöhlen noch kein Mangel war.
Die Gewohnheit, Bauernhäuser und Scheunen zu bauen, soll zuerst unter den Bewohnern des Bruchs am Brandywein aufgekommen sein. Die Hobbits in dieser Gegend, dem Ostviertel, waren ziemlich dick und breitfüßig; bei schlechtem Wetter trugen sie Zwergenstiefel. Aber es war bekannt, dass sie ein gut Teil Starrenblut in den Adern hatten, wie man schon an dem Flaum sehen konnte, der vielen von ihnen ums Kinn spross. Kein Harfuß oder Fahlhäuter hatte die mindeste Spur von Bartwuchs. Die Leute aus dem Bruch und aus Bockland, dem Streifen auf dem Ostufer desFlusses, der erst später besiedelt worden war, waren erst nach den anderen Hobbits aus südlichen Gegenden gekommen, und sie hatten noch viele eigentümliche Namen und Wörter, die man anderswo im Auenland nicht kannte.
Es ist wahrscheinlich, dass die Baukunst wie so viele andere Fertigkeiten von den Dúnedain stammte. Aber die Hobbits könnten sie auch unmittelbar von den Elben erlernt haben, die in frühester Zeit die Lehrmeister der Menschen waren. Denn die Elben des Hohen Geschlechts hatten Mittelerde noch nicht verlassen und wohnten damals an den Grauen Anfurten im Westen und an anderen Orten, die vom Auenland aus zu erreichen waren. Drei Elbentürme aus unvordenklichen Zeiten waren noch immer auf den Turmbergen jenseits der Westmarken zu sehen; bei Mondschein sah man sie weit übers Land schimmern. Der höchste stand am fernsten, für sich allein auf einer grünen Hügelkuppe. Die Hobbits im Westviertel sagten, von der Spitze des Turms aus könne man das Meer sehen; doch weiß man von keinem Hobbit, der je hinaufgestiegen wäre. Überhaupt hatten nur wenige Hobbits je das Meer gesehen oder gar befahren, und noch weniger waren zurückgekehrt, um davon zu berichten. Die meisten Hobbits betrachteten schon Flüsse und kleine Boote mit tiefem Argwohn, und nicht viele konnten schwimmen. Und je länger sie im Auenland lebten, desto weniger sprachen sie mit den Elben; sie begannen sich vor ihnen zu fürchten und allen zu misstrauen, die mit ihnen Umgang hatten. Das Meer wurde ihnen zu einem Schreckenswort, einem Sinnbild des Todes; und sie wandten auch den Blick ab von den Bergen im Westen.
Aber mochten sie die Baukunst auch von den Elben oder den Menschen übernommen haben, die Hobbits verfuhren darin auf ihre eigene Weise. Mit Türmen hatten sie nichts im Sinn. Ihre Häuser waren meistens lang, niedrig und wohnlich. Die ältesten waren eigentlich oberirdische Nachbildungen von Smials, mit trockenem Gras oder Stroh gedeckt, vielleicht auch mit Sodendächern, die Wände ein wenig ausgebaucht. Diese stammten jedoch aus der Frühzeit des Auenlandes, und seither hatte sich die Bauweise längstverändert und verbessert. Manche neuen Methoden hatten die Hobbits von den Zwergen gelernt, manche hatten sie selbst erfunden. Eine Vorliebe für runde Fenster und sogar runde Türen blieb die wichtigste Besonderheit der Hobbit-Architektur.
Die auenländischen Häuser und Höhlen waren oft sehr geräumig und wurden von Großfamilien bewohnt (Bilbo und Frodo Beutlin waren als Junggesellen in dieser wie auch in anderer Hinsicht, zum Beispiel ihrer Freundschaft mit Elben, die großen Ausnahmen). Mancherorts, wie bei den Tuks in Groß-Smials oder den Brandybocks im Brandygut, lebten etliche Generationen von Verwandten mehr oder weniger friedlich in
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