0068 - Todeswalzer
Rhodes war ein genialer Maler. Die Bilder, die er schuf, erzielten Rekordpreise. Doch nach einer Krise lebte er in ständigem Hader mit Malvyn Marshall, dem Galeriebesitzer, in dessen Räumen er seine Werke ausstellte.
Wie jeder Künstler, wollte auch Chris Rhodes einmal in seinem Leben etwas Großes schaffen. Seit Jahren träumte er davon.
Und jedesmal, wenn er dachte, ihm wäre der große Wurf nach der Krise gelungen, wurde sein Gemälde von Marshall und den Kritikern buchstäblich zerrissen.
Das nagte tief in Rhodes’ Innerem. Er griff zu immer härteren Drogen, weil er glaubte, sie würden ihm helfen, das Bild aller Bilder zu malen.
Doch das Gegenteil war der Fall. Seine Bilder wurden immer schlechter, und Malvyn Marshall hatte bereits gedroht, nichts mehr von ihm auszustellen, wenn das Niveau seiner Werke noch weiter sinken würde.
Es war ein Teufelskreis, in dem Chris Rhodes gefangen war. Die beruflichen Rückschläge deprimierten ihn.
Dadurch war er gezwungen, öfter das Vergessen mit Rauschgift zu suchen. Und das Suchtgift wiederum höhlte ihn mehr und mehr aus, so daß er kaum noch in der Lage war, einen vernünftigen Pinselstrich auf die Leinwand zu bringen.
Es war Abend.
Chris Rhodes befand sich allein in seinem Haus. Das Gebäude war uralt und hätte einer dringenden Restaurierung bedurft.
Es regnete durch das Dach, die Wasserleitung war undicht, die Mauern waren krank vom Schimmelpilz.
Aber Chris Rhodes hatte nicht das Geld, um das Haus zu sanieren. Bald würde das Geld nicht einmal mehr reichen, um die laufenden Abgaben bezahlen zu können, von denen die Erlaubnis abhing, daß er in diesem Haus wohnen durfte.
In diesem Dilemma befand sich Rhodes, als er der nächsten Spritze entgegenfieberte. Für Stoff brachte er immer wieder Geld auf.
Wenn er Heroin brauchte, war er im Geldverdienen ungemein erfinderisch. Er malte Schilder für den Supermarkt und Reklametafeln für mehrere Werbeagenturen.
Da er das aber im Grunde seiner Seele unter seiner künstlerischen Würde fand, tat er es nur, wenn es wirklich nicht mehr anders ging.
Rhodes leckte sich nervös die dünnen Lippen. Er war mager. Die Augen hatten keinen Glanz und lagen in dunklen Höhlen.
Rhodes spürte dieses lästige Ziehen entlang sämtlicher Nervenbahnen, während er seine Vorbereitungen für die erlösende Spritze traf.
Er stellte eine Wasserkaraffe auf den Tisch, holte das Heroinbriefchen, das er von einem Dealer am Picadilly Circus gekauft hatte, legte einen langstieligen Löffel neben die Karaffe, nahm aus der Tischlade eine Kerze und die Spritze.
Sobald das Teufelszeug, das ihm irre Träume versprach, ihn aber in Wahrheit mehr und mehr kaputt machte, in der Spritze war, band er sich den Oberarm mit einem Gummischlauch ab.
Der Blutstau ließ die Vene anschwellen. Chris Rhodes stach mit der Kanüle ein und ließ den Kolben langsam fahren.
Von dieser. Sekunde an überschwemmte das Rauschgift seinen Körper und seinen Geist. Er entspannte sich, lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück, genoß die Wirkung.
Er hatte die Mischung diesmal etwas härter gemacht, weil er gefühlt hatte, daß er heute mehr von dem Zeug brauchte als sonst, um vergessen zu können.
Bald nahm seine Nervosität ab. Er atmete ruhig, fühlte sich von Herzschlag zu Herzschlag besser.
Er gewann Abstand von seinen Problemen. Sie erschienen ihm nicht mehr so schlimm. Er wurde zuversichtlich, daß ihm der große Sprung vorwärts doch noch eines Tages gelingen würde.
Mit Gottes Hilfe…
Plötzlich stockte der Gedankenfluß des Malers. Gott hatte ihm bisher noch nicht geholfen. Von dem war bestimmt auch in Zukunft keine Hilfe zu erwarten.
Aber es gab noch jemanden, den man um Hilfe bitten konnte!
Natürlich. Warum hatte er noch nie daran gedacht? Der Teufel würde sich bestimmt zu einem kleinen Geschäft überreden lassen.
Rhodes besaß zwar nichts als seine Seele, aber gerade auf die war der Satan ja besonders scharf. Man sagte, daß der Höllenfürst nie genug von Menschenseelen bekommen konnte.
Rhodes wollte dem Teufel seine Seele anbieten. Asmodis konnte sie haben, wenn er ihm dafür zu ein bißchen Genialität verhalf.
Chris Rhodes erhob sich.
Mit bleiernen Füßen schlurfte er durch das Zimmer. Es fiel ihm schwer, zu denken. Das Heroin zauberte ihm ständig irgendwelche Trugbilder vor die Augen und entführte seinen Geist in irre Traumwelten.
Das Buch! dachte Chris Rhodes mühsam. Es ist hier irgendwo im Haus. Es fiel mir erst neulich in
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