Der Herr der Ringe
die Leute, er sähe noch gut aus; aber unverändert wäre zutreffender gewesen. Manche schüttelten den Kopf und meinten, das sei zu viel des Guten; es sei einfach unbillig, dass jemand (anscheinend) ewige Jugend und obendrein noch (angeblich) unerschöpfliche Reichtümer besitzen sollte.
»Dafür wird er bezahlen müssen«, sagten sie. »Es ist nicht natürlich und wird ein schlechtes Ende nehmen!«
Aber bisher hatte es kein schlechtes Ende genommen; und da Herr Beutlin nicht kleinlich war mit seinem Geld, waren die meisten Leute gewillt, ihm seine Seltsamkeiten und sein Glück zu verzeihen. Mit seinen Verwandten (außer den Sackheim-Beutlins natürlich) verkehrte er freundschaftlich und hatte unter den Hobbits aus den armen und weniger bedeutenden Familien viele anhängliche Bewunderer. Doch besaß er keinen wirklich guten Freund, bis einige seiner jüngeren Vettern heranwuchsen.
Der älteste von ihnen und Bilbos Lieblingsvetter war der junge Frodo Beutlin. Als Bilbo neunundneunzig war, adoptierte er Frodo, setzte ihn zu seinem Erben ein und holte ihn zu sich nach Beutelsend; und damit waren die Hoffnungen der Sackheim-Beutlins endgültig zerschlagen. Bilbo und Frodo waren zufällig am gleichen Tag geboren, am 22. September. »Du solltest lieber bei mir leben, Frodo, mein Junge«, sagte Bilbo eines Tages. »Dann können wir unsere Geburtstage gemütlich zusammen feiern.« Damals war Frodo noch in den »Zwiens«, wie die Hobbits die verantwortungslosen Zwanziger zwischen Kindheit und Mündigwerden mit dreiunddreißig nannten.
Zwölf weitere Jahre verstrichen. Alljährlich hatten die Beutlins gemeinsam sehr muntere Geburtstagsfeste auf Beutelsend gegeben; doch jetzt, hieß es, sei für den Herbst etwas ganz Besonderes geplant. Bilbo wurde einundelfzig, 111, eine recht eigenartige Zahl, und für einen Hobbit ein sehr beachtliches Alter (selbst der Alte Tuk war nur 130 geworden); und Frodo wurde dreiunddreißig, 33, eine wichtige Zahl: der Zeitpunkt, zu dem er »mündig« wurde.
Die Zungen standen nicht still in Hobbingen und Wasserau; und das Gerücht von dem bevorstehenden Ereignis verbreitete sich im ganzen Auenland. Wieder einmal wurden Lebensgeschichte und Charakter des Herrn Bilbo Beutlin das Hauptgespräch; und die älteren Leute entdeckten plötzlich, dass ihre Erinnerungen sehr begehrt und gefragt waren.
Niemand hatte aufmerksamere Zuhörer als der alte Ham Gamdschie, der landauf, landab als der Ohm bekannt war. Er schwang seine Reden im Efeubusch, einer kleinen Gastwirtschaft an der Wasserauer Straße; und was er sagte, hatte einiges Gewicht, denn er hatte vierzig Jahre lang den Garten in Beutelsend betreut und war davor schon der Gehilfe des alten Holman gewesen. Nun, da er selbst nicht mehr der Jüngste war und steif in den Gelenken, wurde die Hauptarbeit von seinem jüngsten Sohn getan, Sam Gamdschie. Beide, Vater und Sohn, standen auf sehr gutem Fuße mit Bilbo und Frodo. Sie wohnten ebenfalls auf dem Bühl, im Beutelhaldenweg 3, direkt unterhalb von Beutelsend.
»Ein sehr liebenswürdiger und feiner Edelhobbit ist Herr Bilbo, wie ich schon immer gesagt habe«, erklärte der Ohm. Und das war die reine Wahrheit: Denn Bilbo war sehr höflich zu ihm, nannte ihn »Meister Hamfast« und fragte ihn über den Gemüseanbau ständig um Rat – was »Knollen« betraf, besonders Kartoffeln, wurde der Ohm weit und breit von allen (einschließlich ihm selbst) als höchste Autorität anerkannt.
»Aber was ist mit diesem Frodo, der bei ihm wohnt?«, fragte der Alte Eichler aus Wasserau. »Beutlin heißt er wohl, aber er ist mehr als ein halber Brandybock, wird behauptet. Das kann ich nicht fassen, dass sich irgendein Beutlin aus Hobbingen da unten im Bockland eine Frau suchen muss, wo die Leute so sonderbar sind.«
»Und kein Wunder, dass sie sonderbar sind«, warf Väterchen Zwiefuß ein (Ohms nächster Nachbar), »wenn sie auf der falschen Seite vom Brandyweinfluss leben, und gerade vor dem Alten Wald. Das ist ein dunkler, böser Ort, wenn nur die Hälfte der Erzählungen wahr ist.«
»Da hast du recht, Väterchen«, sagte der Ohm. »Zwar wohnen die Brandybocks nicht im Alten Wald; aber allem Anschein nach sind sie eine sonderbare Sippe. Auf diesem großen Fluss treiben sie sich mit Booten herum – und das ist nicht natürlich. Kein Wunder, dass es ein böses Ende nahm. Aber sei dem, wie ihm wolle, Herr Frodo ist ein so netter junger Hobbit, wie man ihn sich nur wünschen kann. Herrn Bilbo sehr ähnlich,
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