Der Herr der Ringe
nicht unsere Aufgabe hier, nur Überlegungen für ein Jahr oder ein paar Menschenleben oder für ein vorübergehendes Zeitalter der Welt anzustellen. Wir sollten nach einer Möglichkeit suchen, wie dieser Bedrohung ein für alle Mal ein Ende gesetzt werden kann, selbst wenn wir nicht hoffen können, es zu vollbringen.«
»Und diese Möglichkeit werden wir nicht auf den Wegen zum Meer finden«, sagte Galdor. »Wenn wir die Rückkehr des Ringes zu Iarwain schon für zu gefährlich halten, dann ist die Flucht zum Meer voll der schwersten Gefahren. Mein Herz sagt mir, dass, sobald Sauron erfährt, was geschehen ist – und das wird er bald erfahren –, er annehmen wird, dass wir den Weg nach Westen einschlagen. Die Neun haben ihre Pferde eingebüßt, doch das ist nur ein Aufschub, bis sie neue und schnellere Rosse finden. Allein die schwindende Macht von Gondor verhindert jetzt noch seinen mächtigen Marsch nach Norden entlang den Küsten; und wenn er wirklich die Weißen Türme und die Anfurten angreift, mag es sein, dass die Elben danach keine Möglichkeit mehr haben, dem länger werdenden Schatten von Mittelerde zu entfliehen.«
»Doch lange wird dieser Marsch noch auf sich warten lassen«, sagte Boromir. »Gondors Macht schwindet, sagt Ihr. Aber Gondor steht noch, und selbst das Ende seiner Kraft ist noch sehr stark.«
»Und dennoch kann Gondors Wachsamkeit die Neun nicht länger zurückhalten«, sagte Galdor. »Und andere Straßen mag der Feind finden, die Gondor nicht bewacht.«
»Dann«, sagte Erestor, »gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie Glorfindel schon erklärt hat: den Ring für immer zu verbergen; oder ihn zu zerstören. Aber beides übersteigt unsere Macht. Wer kann dieses Rätsel für uns lösen?«
»Niemand hier«, sagte Elrond ernst. »Zumindest kann niemand voraussagen, was geschehen wird, wenn wir diesen oder jenen Weg gehen. Doch mir scheint es jetzt klar zu sein, welchen Weg wir einschlagen müssen. Der Westen scheint der einfachste zu sein. Daher müssen wir ihn vermeiden. Er wird beobachtet werden. Zu oft sind Elben auf diesem Wege geflohen. Jetzt endlich müssen wir einen harten Weg nehmen, einen unvorhergesehenen. Darin liegt unsere Hoffnung, wenn es überhaupt Hoffnung gibt. Den gefahrvollen Wege gehen – nach Mordor. Wir müssen den Ring dem Feuer überantworten.«
Wieder trat Schweigen ein. Als Frodo hinausschaute in das sonnenhelle Tal, erfüllt von dem Plätschern klaren Wassers, verspürte er sogar in diesem schönen Haus eine dumpfe Finsternis in seinem Herzen. Boromir machte eine Bewegung, und Frodo sah ihn an. Er spielte mit seinem großen Horn und runzelte die Stirn. Schließlich sprach er.
»Ich verstehe das alles nicht«, sagte er. »Saruman ist ein Verräter, aber hat er nicht doch eine Spur Weisheit erkennen lassen? Warum sprecht ihr immer von Verbergen und Vernichten? Warum sollten wir nicht glauben, dass der Große Ring uns in die Hände gefallen ist, um uns in der Stunde der Not zu dienen? Wenn die freien Gebieter der Freien ihn besitzen, können sie den Feind gewiss besiegen. Das ist es, nehme ich an, was er am meisten fürchtet.
Die Menschen von Gondor sind tapfer, und sie werden sich niemals unterwerfen; aber es mag sein, dass sie geschlagen werden. Mut braucht erstens Stärke und dann eine Waffe. Lasst den Ring eure Waffe sein, wenn er solche Macht besitzt, wie ihr sagt. Nehmt ihn und geht dem Sieg entgegen!«
»Leider ist das nicht möglich«, sagte Elrond. »Wir können den Beherrschenden Ring nicht verwenden. Das wissen wir allzu genau. Er gehört Sauron und ist von ihm allein gemacht worden, und er ist durch und durch böse. Seine Stärke, Boromir, ist zu groß, als dass irgendjemand ihn nach Belieben gebrauchen könnte, ausgenommen jene, die schon selber eine große Macht besitzen. Aber für sie birgt der Ring eine noch tödlichere Gefahr. Schon der Wunsch nach ihm verdirbt das Herz. Denk an Saruman. Wenn einer der Weisen den Herrscher von Mordor mit diesem Ring stürzen würde und dabei seine eigenen Listen anwendet, dann würde er sich selbst auf Saurons Thron setzen, und damit hätten wir nur einen weiteren Dunklen Herrscher. Und es gibt noch einen Grund, warum der Ring zerstört werden sollte: Solange er auf der Welt ist, wird selbst für die Weisen eine Gefahr bestehen. Denn nichts ist von Anfang an böse. Selbst Sauron war es nicht. Ich fürchte mich davor, den Ring zu nehmen, um ihn zu verbergen. Ich will den Ring auch nicht nehmen, um ihn zu
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