Der Herr der Ringe
stammen aus dem Norden, aus dem Nebelgebirge, wenn ich überhaupt etwas von Orks und ihren Rassen verstehe. Und hier sind andere, die mir fremd sind. Ihre Ausrüstung ist ganz und gar nicht nach der Art von Orks!«
Da lagen vier Bilwiss-Krieger von größerer Gestalt, schwärzlich, schlitzäugig, mit dicken Beinen und großen Händen. Ihre Waffen waren kurze Schwerter mit breiten Klingen, nicht die bei Orks üblichen Krummsäbel; und sie hatten Eibenholzbogen, die ihrer Länge und Form nach wie die Bogen der Menschen waren. Auf ihren Schilden hatten sie ein fremdes Wappen: eine kleine weiße Hand inmitten eines schwarzen Feldes; auf der Stirnseite ihrer eisernen Helme war eine aus einem weißen Metall geschmiedete S-förmige Rune angebracht.
»Ich habe diese Zeichen noch nie gesehen«, sagte Aragorn. »Was bedeuten sie wohl?«
»S steht für Sauron«, sagte Gimli. »Das ist leicht zu lesen.«
»Nein«, sagte Legolas. »Sauron gebraucht keine Elbenrunen.«
»Und ebenso wenig gebraucht er seinen richtigen Namen und erlaubt auch nicht, dass er geschrieben oder ausgesprochen wird«, sagte Aragorn. »Und er gebraucht kein Weiß. Die Orks im Dienste von Barad-dûr tragen das Zeichen des Roten Auges.« Er stand einen Augenblick in Gedanken versunken da. »S bedeutet Saruman, vermute ich«, sagte er schließlich. »Da ist Böses im Gange in Isengart, und der Westen ist nicht länger sicher. Es ist, wie Gandalf gefürchtet hatte: Auf irgendeine Weise hat der Verräter Saruman Nachricht über unsere Fahrt erhalten. Ebenso wahrscheinlich wird er auch über Gandalfs Ende Bescheid wissen. Verfolger aus Moria mögen Lóriens Wachsamkeit entgangen sein oder haben vielleicht dieses Land gemieden und sind auf anderen Pfaden nach Isengart gelangt. Orks wandern schnell. Doch hat Saruman viele Möglichkeiten, Neues zu erfahren. Erinnert ihr euch der Vögel?«
»Nun, wir haben jetzt keine Zeit, über Rätsel nachzugrübeln«, sagte Gimli. »Lasst uns Boromir forttragen!«
»Aber danach werden wir die Rätsel lösen müssen, wenn wir die richtige Entscheidung über unseren Weg treffen sollen«, antwortete Aragorn.
»Vielleicht gibt es keine richtige Entscheidung«, sagte Gimli.
Der Zwerg nahm seine Axt und hieb mehrere Äste ab. Sie banden sie mit Bogensehnen zusammen und breiteten ihre Mäntel über das Gestell. Auf dieser rohen Bahre trugen sie ihren toten Gefährten zum Ufer und nahmen an Siegesbeute von seinem letzten Kampf mit, was sie ihm mitzugeben gedachten.Es war nur ein kurzer Weg, dennoch fanden sie die Aufgabe nicht leicht, denn Boromir war ein großer und starker Mann.
Aragorn blieb am Ufer und hielt Wache an der Bahre, während Legolas und Gimli zu Fuß zum Parth Galen zurückeilten. Es war eine Meile oder noch weiter, und es dauerte einige Zeit, ehe sie zurückkamen und zwei Boote geschwind am Ufer entlangpaddelten.
»Etwas Seltsames haben wir zu berichten«, sagte Legolas. »Es waren nur zwei Boote am Steilufer. Von dem dritten konnten wir keine Spur entdecken.«
»Sind Orks dort gewesen?«, fragte Aragorn.
»Wir sahen keine Spuren von ihnen«, antwortete Gimli. »Und Orks hätten alle Boote genommen oder zerstört, und das Gepäck ebenso.«
»Ich werde mir den Boden ansehen, wenn wir dort hinkommen«, sagte Aragorn.
Nun legten sie Boromir in die Mitte des Bootes, das ihn davontragen sollte. Die graue Kapuze und den Elbenmantel falteten sie zusammen und legten sie ihm unter den Kopf. Sie kämmten sein langes, dunkles Haar und ordneten es auf seinen Schultern. Der goldene Gürtel von Lórien funkelte um seinen Leib. Den Helm legten sie neben ihn und auf seinen Schoß das gespaltene Horn und das Heft und die Bruchstücke seines Schwertes. Zu seinen Füßen lagen die Schwerter seiner Feinde. Dann befestigten sie den Bug des Boots am Heck des anderen und zogen es hinaus auf das Wasser. Traurig ruderten sie am Ufer entlang, und als sie in die schnell fließende Stromrinne einbogen, kamen sie am grünen Rasen von Parth Galen vorbei. Die steilen Hänge des Tol Brandir erglühten: Der Nachmittag war schon fortgeschritten. Als sie nach Süden fuhren, stieg vor ihnen der Sprühregen des Rauros auf und schimmerte wie ein goldener Nebel. Das Tosen und Donnern des Wasserfalls erschütterte die windlose Luft.
Gramerfüllt lösten sie die Vertäuung des Bestattungsboots: Dort lag Boromir und glitt ruhig und friedlich über die Tiefe des fließenden Wassers hinweg. Der Strom nahm ihn zu sich, während sie ihr Boot mit den
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