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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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andere mache ich mir noch Gedanken. Aber jetzt auf Wiedersehen! Gib auf dich acht. Halte Ausschau nach mir, besonders zu unwahrscheinlichen Zeiten! Auf Wiedersehen!«
    Frodo begleitete ihn zur Tür. Er winkte noch einmal mit der Hand und ging mit erstaunlich raschem Schritt davon; aber Frodo fand, dass der alte Zauberer ungewöhnlich gebeugt aussah, fast als ob er eine schwere Last trüge. Der Abend brach herein, und mit seinem grauen Mantel war Gandalf rasch im Dämmerlicht verschwunden. Frodo sah ihn lange Zeit nicht wieder.

ZWEITES KAPITEL
    DER SCHATTEN DER VERGANGENHEIT
    D er Gesprächsstoff war nicht in neun und auch nicht in neunundneunzig Tagen erschöpft. Über das zweite Verschwinden von Herrn Bilbo Beutlin wurde in Hobbingen, ja im ganzen Auenland über Jahr und Tag geredet, und in Erinnerung blieb es noch viel länger. Es wurde eine Geschichte, die die Großmütter jungen Hobbits erzählten; und der verrückte Beutlin, der unter Blitz und Donner zu verschwinden und mit Säcken voll Gold und Edelsteinen wiederzukommen pflegte, wurde schließlich eine beliebte Sagengestalt und lebte noch fort, nachdem die wahren Ereignisse längst vergessen waren.
    Einstweilen aber war man in der Nachbarschaft allgemein der Ansicht, Bilbo sei immer ziemlich verdreht gewesen, jetzt sei er ganz verrückt geworden und einfach ins Blaue hinein davongerannt. Zweifellos sei er in einen Teich oder einen Fluss gefallen und habe ein tragisches, wenn auch kaum vorzeitiges Ende gefunden. Die Schuld wurde zumeist Gandalf zugeschoben.
    »Wenn dieser verflixte Zauberer nur den jungen Frodo in Frieden lässt, dann wird er sich schon einleben und zu etwas Hobbitverstand kommen«, sagten die Leute. Und es sah wirklich so aus, als würde der Zauberer Frodo in Frieden lassen, und er lebte sich auch ein, nur dass ihm der Hobbitverstand käme, war kaum zu merken. Vielmehr geriet er sofort in den Ruf, in dem auch Bilbo gestanden hatte: ein sonderbarer Kauz zu sein. Er weigerte sich, Trauer zu tragen; und im nächsten Jahr gab er zu Ehren von Bilbos hundertzwölftem Geburtstag ein Fest, das er eine Zentnerfeier nannte. 3 Aber das traf nicht ganz zu, denn zwanzig Gäste waren geladen, und es gab mehrere Mahlzeiten, bei denen es Futter schneite und Schoppen regnete, wie die Hobbits sagten.
    Manche Leute waren ziemlich empört; aber Frodo hielt daran fest, Jahr für Jahr zu Bilbos Geburtstag ein Fest auszurichten, bis sie sich schließlich daran gewöhnt hatten. Er sagte, er glaube nicht daran, dass Bilbo tot sei. Wenn sie ihn fragten: »Aber wo ist er?«, zuckte er die Schultern.
    Er lebte allein, wie es auch Bilbo getan hatte; doch hatte er viele Freunde, besonders unter den jungen Hobbits (meist Nachkommen des Alten Tuk), die als Kinder Bilbo gerngehabt hatten und auf Beutelsend aus- und eingegangen waren. Folko Boffin und Fredegar Bolger gehörten dazu; aber seine engsten Freunde waren Peregrin Tuk (gewöhnlich Pippin genannt) und Merry Brandybock (der eigentlich Meriadoc hieß, was fast in Vergessenheit geraten war). Mit ihnen durchstreifte Frodo das Auenland; aber öfter wanderte er für sich allein, und zur Verwunderung der vernünftigen Leute sah man ihn manchmal weit von zu Hause im Sternenlicht über die Hügel und durch die Wälder gehen. Merry und Pippin vermuteten, dass er dann und wann die Elben besuchte, wie es Bilbo getan hatte.
    Mit der Zeit begannen die Leute zu merken, dass auch auf Frodo die Redensart zutraf, »noch gut auszusehen«: Seine äußere Erscheinung war immer noch die eines robusten und tatkräftigen Hobbits, der gerade aus den ›Zwiens‹ heraus war. »Manche Leute sind eben Glückskinder«, sagten sie; aber erst als sich Frodo dem gewöhnlich gesetzteren Alter von fünfzig näherte, kam es ihnen allmählich sonderbar vor.
    Was Frodo selbst betrifft, so fand er es recht angenehm, nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, sein eigener Herr und der Herr Beutlin von Beutelsend zu sein. Einige Jahre war er ganz vergnügt und machte sich keine Sorgen um die Zukunft. Doch halb unbewusst reute es ihn immer mehr, dass er Bilbo nicht begleitet hatte. Dann und wann, besonders im Herbst, merkte er, dass er sich Gedanken machte über die unbewohnten Gegenden, und seltsame Phantasiebilder von Bergen, die er nie gesehen hatte, tauchten in seinen Träumen auf. Immer häufiger sagte er zu sich selbst: »Vielleicht werde auch ich eines Tages den Fluss überschreiten.« Worauf die andere Hälfte seines Ichs antwortete: »Noch

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