Der Herr der Ringe
nicht.«
So ging es weiter, bis er die Vierziger allmählich hinter sich ließ und sein fünfzigster Geburtstag näher rückte: Fünfzig war eine Zahl, die er als irgendwie bedeutsam (oder unheilvoll) empfand; jedenfalls war es das Alter, in dem Bilbo plötzlich von Abenteuerlust befallen worden war. Frodo wurde von Unruhe gepackt, und die alten Pfade erschienen ihm zu ausgetreten. Er betrachtete Landkarten und fragte sich, was wohl jenseits der Grenzen läge: Die im Auenland hergestellten Karten zeigten dort zumeist weiße Flecke. Er pflegte jetzt weitere Spaziergänge zu machen und immer häufiger allein; und Merry und seine anderen Freunde beobachteten ihn besorgt. Oft sah man ihn die fremden Wanderer, die zu dieser Zeit im Auenland auftauchten, ein Stück begleiten und sich mit ihnen unterhalten.
Gerüchte verbreiteten sich über merkwürdige Dinge, die draußen in der Welt geschahen; und da Gandalf seit Jahren nicht da gewesen war und auch keine Botschaft gesandt hatte, sammelte Frodo alle Nachrichten, die er erhalten konnte. Elben, die selten im Auenland wanderten, sah man jetzt des Abends westwärts durch die Wälder ziehen, sie gingen und kehrten nicht zurück; denn sie verließen Mittelerde und nahmen keinen Anteil mehr anihren Wirren. Indes waren Zwerge in ungewöhnlicher Zahl auf der Straße. Die alte Ostweststraße, die bei den Grauen Anfurten endete, führte durch das Auenland, und die Zwerge hatten sie immer auf dem Weg zu ihren Bergwerken im Blauen Gebirge benutzt. Für die Hobbits waren sie die Hauptquelle für Nachrichten aus fernen Gegenden – wenn sie welche hören wollten: In der Regel sagten Zwerge wenig, und Hobbits fragten auch nicht mehr. Aber Frodo traf jetzt oft fremde Zwerge aus fernen Ländern, die im Westen Zuflucht suchten. Sie waren besorgt, und manche sprachen im Flüsterton von dem Feind und dem Lande Mordor.
Diesen Namen kannten die Hobbits nur aus den Sagen der dunklen Vergangenheit, und wie ein Schatten lag er über ihren Erinnerungen; er war unheilvoll und beunruhigend. Es schien, als sei die böse Macht in Düsterwald nur vom Weißen Rat vertrieben worden, um in größerer Stärke in den alten Festen von Mordor erneut zu erstehen. Der Dunkle Turm sei wieder aufgebaut worden, hieß es. Von dort breitete sich die Macht weitum aus, und im fernen Osten und Süden wurden Kriege geführt, und die Furcht wuchs. In den Bergen nahmen die Orks wieder an Zahl zu. Trolle waren unterwegs, und sie waren nicht länger einfältig, sondern verschlagen und mit fürchterlichen Waffen ausgerüstet. Und es wurde von Geschöpfen gemurmelt, die noch entsetzlicher seien als diese, aber sie hatten keinen Namen.
Wenig von alledem drang natürlich bis zu den Ohren der gewöhnlichen Hobbits. Aber selbst die Taubsten und die hartnäckigsten Stubenhocker hörten sonderbare Erzählungen; und diejenigen, die an den Grenzen ihren Geschäften nachgingen, sahen merkwürdige Dinge. Die Unterhaltung im Grünen Drachen in Wasserau an einem Frühlingsabend in Frodos fünfzigstem Lebensjahr zeigte, dass selbst mitten im behaglichen Auenland Gerüchte vernommen worden waren, wenngleich die meisten Hobbits noch darüber lachten.
Sam Gamdschie saß in einer Ecke am Feuer, und ihm gegenüber Timm Sandigmann, des Müllers Sohn; und da waren noch verschiedene andere einfache Hobbits, die ihrer Unterhaltung lauschten.
»Komische Dinge hört man heutzutage«, sagte Sam.
»Na ja«, meinte Timm, »wenn man sie sich anhört. Aber Ammenmärchen und Kindergeschichten kann ich auch zu Hause hören, wenn ich will.«
»Das kannst du gewiss«, erwiderte Sam, »und ich behaupte, an manchen ist mehr Wahres dran, als du glaubst. Wer hat denn die Geschichten überhaupt erfunden? Nimm zum Beispiel die Drachen.«
»Nein, danke schön«, sagte Timm, »mag ich nicht. Ich habe über sie erzählen hören, als ich klein war, aber jetzt besteht keine Veranlassung, daran zu glauben. Es gibt nur einen Drachen in Wasserau, und der ist grün«, erklärte er, und alle lachten.
»Wohl wahr«, meinte Sam und stimmte in das Gelächter ein. »Aber was ist mit diesen Baum-Männern, diesen Riesen, wie man sie nennen könnte? Man sagt, einer, der größer war als ein Baum, sei vor nicht langer Zeit oben jenseits der Nordmoore gesehen worden.«
»Wer ist man?«
»Mein Vetter Hal zum Beispiel. Er arbeitet für Herrn Boffin in Oberbühl und geht oft im Nordviertel auf die Jagd. Er hat einen gesehen .«
»Sagt er vielleicht. Dein Hal sagt immer, er
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