Der Herr der Ringe
Hand. Und du, Ringträger, hörte er sie aus der Ferne, aber deutlich sagen, für dich habe ich dies vorbereitet.
Das brodelnde Zischen kam näher, und es gab ein Knacken wie von einem großen Gliedertier, das sich im Dunkeln mit bedächtiger Entschlossenheit bewegte. Ein Gestank zog ihm voraus. »Herr, Herr!«, rief Sam, und seine Stimme wurde wieder lebendig und drängend. »Das Geschenk der Herrin! Das Sternenglas. Ein Licht für dich an dunklen Orten sollte es sein, sagte sie. Das Sternenglas!«
»Das Sternenglas?«, murmelte Frodo wie einer, der im Schlaf antwortet und kaum etwas begreift. »Ach ja! Warum hatte ich es vergessen? Ein Licht, wenn alle anderen Lichter ausgehen! Und jetzt kann uns fürwahr nur Licht allein helfen.«
Langsam griff seine Hand in die Brusttasche, und langsam hielt er Galadriels Phiole hoch. Einen Augenblick schimmerte sie schwach wie ein aufgehender Stern, der sich gegen schwere, erdgebundene Nebel wehrt, und als dann ihre Kraft zunahm und Hoffnung in Frodos Herzen keimte, begann sie zu brennen, und eine silberne Flamme entfachte sich, ein winziges Herz von blendendem Licht, als ob Earendil selbst herabgekommen sei von den hohen westlichen Pfaden, mit dem letzten Silmaril auf der Stirn. Die Dunkelheit wich vor dem Licht zurück, bis es im Mittelpunkt einer Kugel aus durchsichtigem Kristall zu brennen schien, und die Hand, die es hielt, mit weißem Feuer funkelte.
Frodo betrachtete voll Staunen dieses wunderbare Geschenk, das er so lange bei sich getragen hatte, ohne seinen vollen Wert und seine Macht zu vermuten. Selten hatte er sich unterwegs daran erinnert, bis sie zum Morgul-Tal kamen, und niemals hatte er es benutzt, weil er fürchtete, das Licht könne sie verraten. Aiya Earendil Elenion Ancalima! , rief er und wusste nicht, was er gesprochen hatte; denn es schien, als spräche durch seine Stimme eine andere, eine klare und von der verpesteten Luft der Höhle nicht beeinträchtigte Stimme.
Aber andere Kräfte gibt es in Mittelerde, Mächte der Nacht, und sie sind alt und stark. Und Sie, die in der Dunkelheit wandelte, hatte vor unermesslichen Zeiten Elben diesen Ruf ausstoßen hören und seiner nicht geachtet, und er schüchterte sie auch jetzt nicht ein. Als Frodo sprach, spürte er, dass eine gewaltige Bosheit auf ihn gerichtet war und ein tödlicher Blick ihn betrachtete. Nicht weit unten im Gang, zwischen ihnen und der Öffnung, wo sie getaumelt und gestolpert waren, gewahrte er Augen, die sichtbar wurden, zwei große Trauben vielfenstriger Augen – die nahende Drohung zeigte endlich ihr wahres Gesicht. Die Strahlen des Sternenglases wurden von den tausend Facetten der Augen gebrochen und zurückgeworfen, aber hinter dem Glitzern begann ein bleiches, tödliches Feuer stetig inwendig zu glühen, eine in irgendeiner tiefen Grube des bösen Denkens entfachte Flamme. Ungeheuerliche und abscheuliche Augen waren es, tierisch und dennoch erfüllt von Entschlossenheit und hässlicher Schadenfreude, die sich an ihrem Opfer ergötzen, das ohne Hoffnung auf Entkommen in die Falle geraten war.
Von Entsetzen gepackt, begannen Frodo und Sam langsam zurückzuweichen, und wie gebannt blickten sie auf das Starren dieser unheimlichen Augen; aber ebenso viel, wie sie zurückwichen, rückten die Augen vor. Frodos Hand zitterte, und langsam senkte sich die Phiole. Dann plötzlich ließ der fesselnde Bann sie los, damit sie zur Belustigung der Augen eine kurze Strecke in nutzlosem Schrecken davonrennen könnten. Sie wandten sich um und flohen zusammen; aber als sie rannten, schaute Frodo zurück und sah voll Entsetzen, dass die Augen sogleich hinter ihnen herkamen. Der Todesgestank umgab ihn wie ein Schatten.
»Bleib stehen, bleib stehen!«, rief er verzweifelt. »Rennen hat keinen Zweck!«
Langsam krochen die Augen näher.
»Galadriel!«, rief er, nahm all seinen Mut zusammen und hob die Phiole noch einmal hoch. Die Augen hielten an. Vorübergehend erschlaffte ihr Blick, als ob sie durch einen Anflug von Zweifel getrübt würden. Da entbrannte Frodos Herz in ihm, und ohne darüber nachzudenken, was er tat, ob es Torheit sei oder Verzweiflung oder Mut, nahm er die Phiole in die linkeHand und zog das Schwert mit der rechten. Stich fuhr aus der Scheide, und die scharfe Elbenklinge funkelte in dem silbernen Licht, aber an den Rändern flackerte ein blaues Feuer. Dann hielt Frodo, der Hobbit aus dem Auenland, den Stern hoch, das helle Schwert vorgestreckt, und ging langsam zurück, den Augen
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