Der Herr der Ringe
still und stumm waren und den Herrn in seinem Kampf beobachteten, schwankte er.
»Kommt!«, sagte Gandalf. »Wir werden gebraucht. Es gibt vieles, was Ihr noch tun könnt.«
Da lachte Denethor plötzlich. Er stand wieder hochaufgerichtet und stolz da, trat rasch zu dem Tisch zurück und nahm ein Kissen hoch, auf dem sein Kopf geruht hatte. Als er dann zur Tür kam, zog er den Kissenbezug beiseite, und siehe! er hielt einen palantír in den Händen. Und wie er ihn hochhielt, schien es jenen, die zuschauten, dass die Kugel von einer inneren Flamme erglühte, sodass das hagere Gesicht des Herrn wie von einem roten Feuer beleuchtet war, und es schien aus hartem Stein geschnitten zu sein, scharf mit schwarzen Schatten, edel, stolz und entsetzlich. Seine Augen blitzten.
»Stolz und Verzweiflung!«, rief er. »Glaubtest du, dass die Augen des Weißen Turms blind seien? Nein, ich habe mehr gesehen, als du weißt, Grauer Narr. Denn deine Hoffnung ist nur Unwissenheit. Gehe denn und bemühe dich zu heilen! Gehe hinaus und kämpfe! Eitel ist es! Für eine kleine Weile magst du auf dem Schlachtfeld siegen, für einen Tag. Aber gegen die Macht, die sich jetzt erhebt, gibt es keinen Sieg. Gegen diese Stadt ist nur der erste Finger seiner Hand ausgestreckt worden. Der ganze Osten ist in Bewegung.Und eben jetzt trügt dich der Wind deiner Hoffnung und trägt auf dem Anduin eine Flotte mit schwarzen Segeln heran. Der Westen hat versagt. Es ist Zeit für uns alle zu sterben, die wir nicht Hörige sein wollen.«
»Solche Entschlüsse werden den Sieg des Feindes fürwahr gewiss machen«, sagte Gandalf.
»Hoffe denn weiter!«, lachte Denethor. »Kenne ich dich nicht, Mithrandir? Deine Hoffnung ist es, an meiner statt zu herrschen, hinter jedem Thron zu stehen, im Norden, Süden oder Westen. Ich habe in deiner Seele gelesen und ihre Gedanken erraten. Weiß ich denn nicht, dass du diesem Halbling befohlen hast, Schweigen zu bewahren? Dass er hierhergebracht wurde, damit er sogar in meinem eigenen Gemach ein Späher sei? Und dennoch habe ich bei unseren Gesprächen die Namen und Absichten all deiner Gefährten erfahren. Denn mit der linken Hand wolltest du mich für eine kleine Weile als Schild gegen Mordor benutzen, und mit der rechten diesen Waldläufer aus dem Norden heranbringen, auf dass er mich verdränge.
Aber das sage ich dir, Gandalf Mithrandir, ich will nicht dein Werkzeug sein! Ich bin Truchsess aus dem Hause Anárions. Ich will mich nicht erniedrigen und der schwachsinnige Kämmerer eines Emporkömmlings sein. Selbst wenn mir sein Anspruch bewiesen würde, so stammt er dennoch nur aus Isildurs Geschlecht. Ich will mich nicht einem solchen beugen, dem Letzten aus einem zerlumpten Hause, seit langem der Herrschaft und Würde beraubt.«
»Aber was würdet Ihr Euch denn wünschen«, fragte Gandalf, »wenn es nach Eurem Willen ginge?«
»Ich möchte, dass die Dinge so bleiben, wie sie zeit meines Lebens waren«, antwortete Denethor, »und in den Tagen meiner Ahnen vor mir: in Frieden der Herr dieser Stadt zu sein und nach mir meinen Herrschersitz einem Sohn zu hinterlassen, der sein eigener Herr wäre und kein Zauberlehrling. Doch wenn das Schicksal mir das verweigert, dann will ich nichts haben: weder ein erniedrigtes Leben noch geteilte Liebe oder verminderte Ehre.«
»Mir würde es nicht als eine Verminderung an Liebe oder Ehre erscheinen, wenn ein Truchsess das seiner Obhut Anvertraute zurückgibt«, sagte Gandalf. »Und zumindest solltet Ihr Euren Sohn nicht der Möglichkeit berauben, selbst eine Wahl zu treffen, solange sein Tod noch ungewiss ist.«
Bei diesen Worten flammten Denethors Augen wieder, und er klemmte sich den Stein unter den Arm, zog einen Dolch und ging auf die Bahre zu. Aber Beregond sprang herbei und stellte sich vor Faramir.
»So steht es also!«, schrie Denethor. »Du hast schon die Hälfte der Liebe meines Sohnes gestohlen. Jetzt stiehlst du mir auch die Herzen meiner Ritter, sodass sie mich zuletzt völlig meines Sohnes berauben. Aber zumindest dabei sollst du dich meinem Willen nicht widersetzen: mein eigenes Ende zu bestimmen.
Kommt her!«, rief er seinen Dienern zu. »Kommt, wenn ihr nicht alle treulos seid!« Da liefen zwei von ihnen die Stufen zu ihm hinauf. Rasch ergriff er die Fackel, die einer von ihnen in der Hand hatte, und stürzte zurück ins Haus. Ehe Gandalf ihn hindern konnte, warf er sie auf den Holzstoß, und im Nu prasselte der und stand in Flammen.
Dann sprang Denethor auf
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