1729 - Totenliebe
»Bist du sicher, dass man dich nicht auf den Arm nehmen will?« Glenda Perkins setzte ihr Ich-weiß-es-besser-Gesicht auf und schaute skeptisch zu mir hoch.
Sie saß auf dem Schreibtischstuhl, ich hatte mich auf die Kante des Schreibtisches gehockt und nuckelte an meinem Kaffee.
»Nun ja, sie ist eine Nonne. Sagt sie.«
»Aha. Und Nonnen lügen nicht?«
»Das weiß ich nicht. Aber es lässt sich durchaus feststellen, jedenfalls hat sie mich neugierig gemacht.«
»Und sie heißt Elisa?«
»So ist es.«
Glenda lächelte. »Hat sie auch einen Nachnamen?«
»Kann sein, aber den kenne ich nicht. Ich muss mich eben auf Elisa verlassen.«
Ich war wirklich neugierig auf diese Begegnung. Es war mal etwas ganz anderes als diese üblichen Fälle. Eine Frau wollte mit mir über ihren Geliebten sprechen. So einfach war das. Nein, so einfach war das nicht, denn dieser Geliebte – und das wusste ich auch – war ein Toter. Einer, der wohl längst unter der Erde lag. So genau wusste ich das nicht, ging allerdings davon aus.
Es klang zwar normal, war es aber nicht, denn auch der Treffpunkt war außergewöhnlich, passte aber zu diesem Date. Es war ein Friedhof etwas außerhalb von London, den ich nicht kannte. Ich hatte mich erkundigt. Er lag idyllisch und war wohl mehr zu einem Park geworden. Das wollte ich noch genau erkunden.
Über den Friedhof wusste ich nicht viel, aber noch weniger über die Nonne mit dem Namen Elisa.
»Du willst also hin?«, stellte Glenda fest.
»Ja, warum nicht?« Jetzt grinste ich. »Willst du mich begleiten? Dein Interesse ist ja recht groß und…«
»Nein, nein, nein.« Sie winkte mit beiden Händen ab. »Ich will mich nicht in dein Date drängen. Das ist einzig und allein deine Sache. Da halte ich mich raus. Du hast bestimmt viel Spaß mit der Nonne.«
Ihre Ironie war nicht zu überhören gewesen, doch ich ging nicht darauf ein. Auch wenn ich nicht hundertprozentig davon überzeugt war, dass hier ein Fall für mich vorlag, wollte ich zu diesem Treffen fahren. Da hörte ich auf meine innere Stimme, und ich sah es als einen der leichteren Fälle an. Zudem hatte ich keinen Bock darauf, den Tag im Büro zu verbringen.
Mein Freund und Kollege Suko war nicht da. Er hatte das Kampftraining für Kollegen übernommen, und damit war er immer gut einen Tag lang beschäftigt.
Mit meinem Chef, Sir James, hatte ich auch darüber gesprochen. Er hatte es mir überlassen, ob ich der Einladung Folge leisten wollte oder nicht.
Glenda zupfte an ihrer bunten Sommerbluse, die einen runden Ausschnitt hatte, bevor sie fragte: »Hast du dir eigentlich Gedanken darüber gemacht, woher diese Nonne deinen Namen kennt?«
»Nein, nicht direkt. Ich bin eben bekannt.«
Glenda schlug die Hände vor ihr Gesicht. So sah sie mein Grinsen nicht. »Würde mich nicht wundern, wenn gleich Hollywood anruft, um dich zu engagieren.«
»Möglich ist alles. Aber erst nach meinem Treffen mit der Nonne.«
»Und wann willst du los?«
Ich hob die Schultern und rutschte von der Schreibtischkante. »Kann ich so genau nicht sagen. Bevor ich dir jedoch auf den Wecker gehe, mache ich mich auf den Weg. Dann haben wir Nachmittag, und ich kann mit Elisa noch einen Kaffee trinken.«
»Ach? Auf dem Friedhof?«
»Du kannst mir ja deinen Kaffee in einer Warmhaltekanne mitgeben.«
Glenda tippte gegen ihre Stirn. »Und wovon träumst du in der Nacht?«
»Manchmal von dir.«
»Wie schön. Dann träum weiter.«
Ich lachte, ging in mein Büro und holte die Sommerjacke vom Haken. Das Jackett war dünn, und trotzdem hätte ich es gern weggelassen, denn draußen war der Sommer viel zu früh gestartet. Ich wollte nicht, dass man meine Beretta sah, deshalb zog ich es an.
»Bis dann!«, rief ich Glenda zu.
»Viel Spaß. Vielleicht überzeugt diese Elisa dich ja, in einen Orden einzutreten.«
An der Tür blieb ich stehen und fragte: »Nonnenorden?«
»Dir traue ich alles zu.«
»Schäm dich.« Nach dieser Antwort war ich weg.
***
Ich musste in den Süden fahren. In Richtung Croydon und dann noch ein paar Kilometer weiter bis zum Londoner Autobahnring, der die Riesenstadt weiträumig umkreiste.
Die Gegend nahm hier einen ländlichen Charakter an, eine dichte Besiedlung gab es nicht mehr, dafür wohnten die Menschen in kleineren Orten, in denen das Leben noch Spaß machte. Aber nur für den, der es sich leisten konnte, denn die Umgebung hier gehörte zum Londoner Speckgürtel, und da war es teuer.
Ich musste in die Nähe von Biggin Hill,
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