Der Herr der Ringe
schmackhafter als in Gärten gezogenes Obst; er leerte einen Becher, gefüllt mit einem duftenden Getränk, kühl wie eine klare Quelle, golden wie ein Sommernachmittag.
Sam konnte niemals mit Worten beschreiben und auch nicht sich selbst deutlich erklären, was er in jener Nacht dachte oder fühlte, obwohl es ihm im Gedächtnis blieb als eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens. Am nächsten kam er seinen Gefühlen noch, wenn er sagte: »Ja, Herr, wenn ich solche Äpfel ziehen könnte, würde ich mich einen Gärtner nennen. Aber der Gesang war es, der mir zu Herzen ging, wenn du verstehst, was ich meine.«
Frodo saß da, aß und trank und unterhielt sich mit Vergnügen; aber sein Sinn war hauptsächlich auf das gesprochene Wort gerichtet. Er kannte die Elbensprache ein wenig und lauschte eifrig. Dann und wann redete er mit jenen, die ihn bedienten, und dankte ihnen in ihrer eigenen Sprache. Sie blickten ihn freundlich an und sagten dann lachend: »Hier ist ein Juwel unter den Hobbits!«
Nach einer Weile schlief Pippin fest ein; er wurde aufgehoben und in eine Laube unter den Bäumen getragen. Dort wurde er auf ein weiches Bett gelegt, und er schlief die ganze Nacht. Sam wollte seinen Herrn nicht verlassen. Als Pippin fort war, kam er und kauerte sich zu Frodos Füßen, wo er schließlich einnickte und die Augen schloss. Frodo blieb lange wach und unterhielt sich mit Gildor.
Sie sprachen von vielen Dingen, alten und neuen, und Frodo stellte Gildor viele Fragen über die Ereignisse in der weiten Welt außerhalb des Auenlands. Die Nachrichten waren zumeist traurig und unheilschwanger: über die zunehmende Dunkelheit, die Kriege der Menschen und die Flucht der Elben. Schließlich brachte Frodo die Frage vor, die ihm am meisten am Herzen lag:
»Sage mir, Gildor, hast du Bilbo jemals gesehen, seit er uns verließ?«
Gildor lächelte. »Ja«, antwortete er. »Zweimal. Er sagte uns Lebewohl an ebendieser Stelle. Aber ich sah ihn dann noch einmal, weit von hier.« Er wollte nichts mehr über Bilbo sagen, und Frodo versank in Schweigen.
»Du fragst mich nicht oder erzählst mir nicht viel über das, was dich selbst betrifft, Frodo«, sagte Gildor. »Aber ein wenig weiß ich bereits, und mehr kann ich in deinem Gesicht lesen oder in den Gedanken, die deinen Fragen zugrunde liegen. Du verlässt das Auenland, und doch zweifelst du, ob du finden wirst, was du suchst, oder vollbringen kannst, was du vorhast, und ob du jemals zurückkehren wirst. Ist es nicht so?«
»So ist es«, sagte Frodo. »Aber ich glaubte, mein Weggehen sei ein Geheimnis, das nur Gandalf und mein getreuer Sam kennen.« Er blickte hinunter auf Sam, der leise schnarchte.
»Der Feind wird das Geheimnis von uns nicht erfahren«, sagte Gildor.
»Der Feind?«, fragte Frodo. »Dann weißt du also, warum ich das Auenland verlasse?«
»Ich weiß nicht, aus welchem Grunde dich der Feind verfolgt«, antwortete Gildor. »Aber ich sehe, dass er es tut – so seltsam es mir auch erscheint. Undich warne dich, denn Gefahren liegen jetzt vor dir und hinter dir und auf allen Seiten.«
»Du meinst die Reiter? Ich fürchtete, dass sie Diener des Feindes seien. Was sind denn die Schwarzen Reiter?«
»Hat Gandalf dir nichts gesagt?«
»Nichts über solche Wesen.«
»Dann steht es mir wohl nicht an, mehr darüber zu sagen – damit Furcht dich nicht von deiner Wanderung abhält. Denn mir scheint, dass du dich gerade noch rechtzeitig auf den Weg gemacht hast, wenn es überhaupt noch rechtzeitig ist. Du musst dich jetzt eilen, darfst dich nicht aufhalten und nicht umkehren; denn das Auenland ist nicht länger ein Schutz für dich.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, welche Nachricht entsetzlicher sein könnte als deine Andeutungen und Warnungen«, rief Frodo. »Ich wusste natürlich, dass Gefahren vor mir liegen; aber ich erwartete nicht, dass sie mir schon in unserem eigenen Auenland begegnen. Kann ein Hobbit nicht in Frieden von den Wässern zum Fluss wandern?«
»Aber es ist nicht euer eigenes Auenland«, antwortete Gildor. »Andere lebten schon hier, ehe es Hobbits gab; und andere werden hier wieder leben, wenn Hobbits nicht mehr sind. Die weite Welt erstreckt sich rings um euch: Ihr könnt euch absperren, doch könnt ihr sie nicht für immer aussperren.«
»Ich weiß – und doch schien das Auenland immer so sicher und vertraut. Was kann ich nun tun? Mein Plan war, das Auenland heimlich zu verlassen und nach Bruchtal zu gehen; aber jetzt werde ich schon
Weitere Kostenlose Bücher