Der Herr der Ringe
von Angmar schickten sie Bogenschützen, um dem König zu helfen, oder behaupteten es wenigstens, obwohl es in keinem Geschichtsbuch der Menschen verzeichnet ist. Aber in jenem Krieg endete das Nördliche Königreich; und nun nahmen sich die Hobbits das Land zu eigen und wählten unter ihren Hauptleuten einen Thain, der die Machtbefugnis des Königs, der nicht mehr da war, innehatte. Dann wurden sie tausend Jahre lang wenig durch Kriege belästigt, und sie lebten glücklich und zufrieden und vermehrten sich nach der Schwarzen Pest (A. Z. 37) bis zum Verhängnis des Langen Winters und der darauf folgenden Hungersnot. Viele Tausende gingen damals zugrunde, aber die Tage der Not (1158–60) waren zur Zeit dieser Erzählung lange vergangen, und die Hobbits waren es wieder gewohnt, dass es alles in Hülle und Fülle gab. Das Land war reich und fruchtbar, und obwohl es vor ihrer Ankunft lange brachgelegen hatte, war es einst gut bestellt gewesen, und der König hatte dort viele Bauernhöfe, Äcker, Weinberge und Wälder gehabt.
Vierzig Wegstunden erstreckte es sich von den Fernen Höhen bis zur Brandyweinbrücke und fünfzig von den Mooren im Norden bis zu den Marschen im Süden. Die Hobbits nannten den Herrschaftsbereich ihres Thains Auenland, und es war ein Bezirk wohlgeordneter Arbeit; in diesem erfreulichen Erdenwinkel widmeten sie sich ihrer Aufgabe, die darin bestand zu leben, und um die Welt draußen, wo dunkle Dinge vor sich gingen, kümmerten sie sich immer weniger, bis sie schließlich glaubten, Frieden und Überfluss seien die Regel in Mittelerde und ein Recht, das allen vernünftigen Leuten zustehe. Sie vergaßen oder beachteten nicht das wenige, was sie je von den Wächtern gewusst hatten und von der Mühsal jener, die den langen Frieden im Auenland ermöglichten. Sie wurden in Wirklichkeit beschützt, aber sie erinnerten sich dessen nicht mehr.
Zu keiner Zeit waren die Hobbits kriegslüstern gewesen, und untereinander hatten sie sich nie bekämpft. In alten Zeiten hatten sie natürlich oft zu den Waffen greifen müssen, um sich in einer rauhen Welt zu behaupten; doch in Bilbos Tagen war das schon sehr alte Geschichte. An die letzte Schlacht vor dem Beginn dieser Darstellung – die Einzige übrigens, die jemals innerhalb der Grenzen des Auenlandes geschlagen worden war – konnte sich kein Lebender mehr erinnern; es war die Schlacht von Grünfeld gewesen, A. Z. 1147, mit der Bandobras Tuk einen Angriff der Orks abgewehrt hatte. Selbst das Klima war milder geworden, und die Wölfe, die einst in bitterweißen Wintern heißhungrig aus dem Norden gekommen waren, waren jetzt ein Großvatermärchen. Obwohl es noch immer einige Waffenbestände im Auenland gab, wurden sie jetzt zumeist als Siegeszeichen angesehen, hingen über der Feuerstelle oder an den Wänden oder waren im Museum von Michelbinge untergebracht. Das Mathom-Haus wurde es genannt; denn alles, was Hobbits nicht sofort verwenden konnten, aber nicht gern wegwerfen wollten, nannten sie Mathom. Ihre Behausungen waren wie dazu geschaffen, Mathoms anzuhäufen, und viele der Geschenke, die von Hand zu Hand gingen, waren von dieser Art.
Dennoch hatten Friede und Daseinsfreude der Zähigkeit dieses Volkes erstaunlich wenig anhaben können. Hobbits waren, wenn es hart auf hart ging, nicht so leicht einzuschüchtern oder umzubringen; und vielleicht waren sie nicht zuletzt deshalb so gleichbleibend erpicht auf gute Dinge, weil sie im Ernstfall darauf verzichten konnten und den Katastrophen, Feinden oder Unbilden des Wetters in einer Weise zu widerstehen vermochten, die jene erstaunte, die sie nicht gut kannten und nicht mehr sahen als ihre dicken Bäuche und gutgenährten Gesichter. Obwohl sie nicht händelsüchtig waren und kein Vergnügen daran fanden, ein Lebewesen zu töten, waren sie beherzt, wenn sie sich verteidigen mussten, und verstanden notfalls mit der Waffe umzugehen. Sie waren gute Bogenschützen, denn sie hatten scharfe Augen und eine sichere Hand. Und nicht nur mit Pfeil und Bogen. Wenn sich ein Hobbit nach einem Stein bückte, tat man gut daran, schnell in Deckung zu gehen, wie alle streunenden Tiere sehr wohl wussten.
Ursprünglich hatten alle Hobbits in Erdhöhlen gelebt, oder glaubten es wenigstens, und in solchen Behausungen fühlten sie sich noch immer am heimischsten; aber im Laufe der Zeit mussten sie sich mit anderen Unterkünften abfinden. In Bilbos Tagen war es im Auenland die Regel, dass nur die reichsten und die ärmsten Hobbits
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