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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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glorreichen Gewinn betrachtet, eine neu gefundene Entschlossenheit, Größe zu erlangen. Er hatte niemals in Frage gestellt, dass er seit der Verwandlung zwanghaft quälte , brannte , tötete und eroberte, verzehrt von einem Hass auf Schwäche und Verletzbarkeit, der ihm die Stärke gab zu erreichen, was mildere, freundlichere Männer nicht erreichen konnten. Jetzt fragte er sich, ob er nicht tatsächlich beraubt worden war.
    Was, wenn er sich dazu herabließ, etwas zu werden wie das, was er hätte sein sollen? Gewiss steckte dieser Mann noch immer irgendwo in seinem Inneren, verborgen unter den anormalen Fäden, die seine Struktur veränderten. Doch selbst wenn er ihn entdecken und an die Oberfläche bringen konnte, spielte es keine Rolle.
    Sie würde ihn nicht lieben, niemals.
    Ich sollte sie töten. Ich bin der Herr der Krähen, und mir ist es nicht bestimmt, von einer niederen Sklavin in die Knie gezwungen zu werden.
    Er erhob sich, aber die Tat war ohne Überzeugung. Er wusste, dass er sie nicht vernichten konnte. Selbst wenn er sie tötete, würde ihr Andenken für immer weiterleben.
    Er sackte zurück in seinen Sessel.
    War dies das Werk von Regret? Irgendein Fluch, mit dem er belegt worden war, ein Überbleibsel der Schlacht auf dem Turm? Etwas, das auf den richtigen Moment gewartet hatte, um ihm boshaft den Pfad zu zeigen, den er nicht genommen hatte? Das hätte gewiss zu Regret gepasst, und Karrak hielt es nicht für unwahrscheinlich. Allerdings trug diese Überlegung wenig dazu bei, die Wirksamkeit dieses vermeintlichen Fluchs zu verringern. Es konnte aber geradeso gut von der Großen Magie selbst herrühren. Spürte sie, dass hier Dinge zusammengehörten, die durch einen tiefen Abgrund getrennt waren? Dass Fäden, die einander finden sollten, lose im Nichts flatterten?
    War sie für ihn bestimmt gewesen?
    Er stand wieder auf und schritt auf und ab, um seine Panik abzuwehren. Wenn sie füreinander bestimmt gewesen waren, hatte er wirklich keine Chance, dieses Gefühl jemals wiederzufinden? Nachdem er wusste, was er versäumte, würde ihn nicht einmal mehr ein Lockenzahneintopf zufriedenstellen können. Würde die Große Magie ihm jemals eine andere von ihrer Art geben, oder war er aus ihrem Bildteppich bereits völlig entfernt worden – ein Gräuel, eine Unregelmäßigkeit, ein Weinfleck in der Ecke? War sein wahres Ich schon lange tot, und war er nicht mehr als ein verzerrter Schatten? Es war ihm nie zuvor in den Sinn gekommen, dass niemand jemanden wie ihn lieben konnte.
    »Es ist nicht alles vorherbestimmt«, murmelte er und versuchte, daran zu glauben.
    Wenn er sich bemühte, der Mann zu werden, der er hätte sein sollen, würde er belohnt werden? Was, wenn er sich neu erfand, diese leere Illusion von Kontrolle aufgab, in der Hoffnung, dass er sie eines Tages vielleicht wiederfinden würde?
    Er hatte den Rest seiner Lebenszeit, es zu versuchen.
    Ein guter Mann, dachte er. Er wusste, wie so etwas aussah – er hatte die Maske selbst aufgesetzt, wenn es seinen Zwecken entsprach. Konnte er sie lange genug tragen, um die Welt glauben zu machen, er sei gut?
    Nicht von Anfang an. Er musste neu beginnen. Und er würde sie dabei verlieren, aber es war der einzige Weg, sie wiederzufinden.
    »Was bläst du Trübsal, Bruder?«
    Karrak fuhr herum, denn er hatte niemanden eintreten hören. Vor ihm stand Forger, mehr als einen Kopf größer als er, bekleidet mit seinem Flickwerk aus Leder. Als er ihn jetzt anschaute, wirkte er gleichzeitig vertraut und unvertraut. Forger war sein Vertrauter, ein Mitregent im benachbarten Tallaho. Sie nannten einander Brüder – aber jetzt dachte Karrak an seinen echten, ermordeten Bruder und fragte sich, wer diese fremde Kreatur war. Jemand, der genauso verbogen und zerbrochen war wie er selbst?
    Forger hielt ihm eine Flasche hin. »Ich dachte, du würdest auf unseren Erfolg anstoßen wollen!«
    Karrak wünschte, Forger wäre in dieser Nacht nicht gekommen, doch er konnte ihn nicht wegschicken. Vor allem konnte er nicht sagen, was in ihm vorging. Es würde als Schwäche angesehen werden, und das mit Recht.
    »Natürlich.« Karrak deutete auf Forgers Sessel neben seinem eigenen. Er war größer als die meisten und eigens angefertigt von dem Meisterhandwerker der Burg.
    Forger sank in den Sessel, nahm einen großen Schluck aus der Flasche und reichte sie Karrak. »Ein kluger Schachzug«, bemerkte er, »Alcrane und Cordahl gegeneinander aufzuhetzen.«
    »Ja«, bestätigte Karrak.

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