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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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meine Hand. Ich will dir nichts Böses.«
    Endlich sank sein Befehl ein und schlug zaghaft Wurzeln in ihrem Geist. Er dachte nicht, dass es für immer halten würde. Vielleicht hätte er sie doch nicht dazu bringen können, ihn zu lieben.
    Er führte sie aus dem Raum und die Treppe hinunter.
    »Seht uns nicht«, befahl er jenen, die ihren Weg kreuzten. »Erinnert euch nicht daran, dass wir hier waren.«
    Sie gingen aus der Burg und hinaus auf die Straßen, und Karrak wiederholte sein Mantra allen gegenüber, die er sah. Als sie die Stadt durch das Osttor verließen, hörte er Klirren im Steinbruch im Süden und verzog das Gesicht.
    Ein guter Mann würde seine Sklaven freilassen.
    Vielleicht würde er zurückkehren.
    Sie ließen die Straße hinter sich und machten sich auf den Weg über flaches Land, das von den Lichtern der Bauernhäuser gesprenkelt war. Karrak wandte den kleinen Trick an, den er ersonnen hatte, um Salarkis daran zu hindern, ihn aufzuspüren. Die ganze Nacht hindurch gingen sie, größtenteils schweigend, und als der Himmel heller zu werden begann, wusste Karrak, dass er am besten über einen Fadengang nachdenken sollte. Sie waren so weit von der Stadt entfernt, dass sie allein weitergehen konnte, ohne ein großes Risiko einzugehen, Patrouillen über den Weg zu laufen. Würde sie versuchen, in die Flachlande zurückzukehren, fragte er sich? Es war immer noch überrannt von seinen Soldaten.
    »Du solltest nach Althala gehen«, sagte er. »Es ist der sicherste Ort in Aorn. Braston macht seine Sache gut, seine Menschen zu beschützen.«
    Sie nickte steif.
    »Dann geh«, sagte er. »Du bist frei.«
    »Was? Das ist ein Trick, nicht wahr?«
    Er staunte über ihre Widerstandskraft – große Herrscher hatten sich als leichter zu manipulieren erwiesen.
    »Geh«, wiederholte er, »und vergiss mich.«
    Er drückte ihr einige Münzen in die Hand.
    Sie schaute ein- oder zweimal zurück und runzelte die Stirn, und er wusste, dass sie eine Zeit lang verwirrt sein würde, dass sie vielleicht Schwierigkeiten haben würde, sich zu orientieren oder sich daran zu erinnern, wie sie allein hierhergekommen war. Vielleicht würde sie trotz seiner Worte in die Flachlande zurückkehren und bei dem Versuch, seine Bewohner zu befreien, getötet werden, aber das war jetzt ihre Entscheidung. Er hatte nicht darüber zu bestimmen, was sie mit ihrem Leben tat.
    Er zwang sich, sich abzuwenden, und verspürte ein seltsames Kribbeln in den Augen.
    Es war feige gewesen, überlegte er später, zu verschwinden, ohne sein Reich aufzulösen oder seine Spießgesellen in die Schranken zu verweisen. Er hatte einen Karren stehen lassen, den er hätte in Brand stecken sollen. Stattdessen hatte er es Forger überlassen, die Zügel zu ergreifen. Aber er war in jener Nacht in einer seltsamen Verfassung gewesen, und die Verwandlung in einen anständigen Mann war nicht sofort erfolgt. Er hatte gut sein wollen, aber aus selbstsüchtigen Gründen, also war er vielleicht in der Hast, sich neu zu erfinden, voreilig gewesen und hatte es tatsächlich nicht geschafft, es überzeugend zu tun. Bis auf den heutigen Tag war er sich nicht sicher, ob ihm an den Menschen, denen er half, wirklich etwas lag, oder ob er die Maske so lange getragen hatte, dass er vergessen hatte, wie er wirklich aussah. Er kannte zumindest den Unterschied zwischen Recht und Unrecht, aber andererseits hatte er das immer getan – der Karrak alter Zeiten hatte sich lediglich dafür entschieden, die beiden Konzepte vollkommen zu ignorieren. Vielleicht schauspielerte er nur und versuchte, sich auf eine normale, sterbliche Art in die Große Magie einzufügen, in der Hoffnung, eines Tages damit belohnt zu werden, sie wiederzufinden. Wenn seine Persönlichkeit eine Fassade war, war er ein Meister darin, sie zu wahren. Seht mich an, dachte er, auf dem Weg, um mich Brastons Heer anzuschließen, denn das ist es, was ein ehrenhafter Krieger tun würde.
    Vielleicht war dies aber auch die erste Chance seit dreihundert Jahren zu beweisen, dass er sich wirklich verändert hatte.
    Aber spielte das überhaupt eine Rolle? Kümmerte es die Große Magie – falls sich eine solch gewaltige Kraft überhaupt um etwas kümmerte? Würde er jemals in ihre Strukturen zurückgleiten, als gehöre er dorthin?
    Und würde Braston verstehen? Würde er verzeihen? Yalenna vielleicht, denn sie waren einst Freunde gewesen. Würde sie sich daran erinnern?
    »Komm weiter, mein altes Denkmal«, sagte Tarzi und erschreckte

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