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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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ihn, als sie seinen Arm nahm. »Du fällst zurück.«
    Rostigan blinzelte – es war wahr. Die anderen waren ihnen auf der Straße schon ein Ende voraus.
    »Tut mir leid, kleine Drossel«, erwiderte er.
    »Müde?«
    »Nur …«
    Nun, warum nicht?
    »Ja«, bestätigte er. »Ein wenig müde.«
    Ihr Griff wurde fester. Als er ihrem Blick folgte, sah er, was sie sah: einen gescheckten Schmetterling, der fröhlich umherflatterte und sich in einer sanften Brise hob und senkte – rückwärts.

ALTE FREUNDE
    »Herein«, sagte Yalenna, als es an der Tür klopfte.
    Sie war dankbar für die Störung. Einige Tage lang hatte sie darauf gewartet, dass Braston sie aufsuchte – seit er es ihr versprochen hatte. Sie würde nicht zu ihm gehen – er wusste, wo sie war, und sie verstand, warum er Mühe hatte, sich ihr zu stellen. Sie erinnerte ihn an seine Ängste, und er genoss es zu sehr, den Herrscher zu spielen, um sich diesen Ängsten zu stellen.
    Trotzdem, sie konnte nicht ewig warten. Dieser Raum, so üppig und fröhlich er war, begann sich wie eine Zelle anzufühlen. Sie ging nicht gern hinaus, hatte sie festgestellt – ihr gefielen das Staunen und die Huldigung nicht mehr, die ihr entgegenschlugen, wo immer sie hinging. Denn das Glück, das sie den Menschen verlieh, war eine Lüge. Sie war hier, weil etwas sehr schiefgegangen war. Wenn sie in klösterlicher Zurückgezogenheit lebte, konnte sie vielleicht den Schaden begrenzen, den ihre nie versiegenden Segnungen verursachten. Während die anderen Wächter in der Welt herumliefen und taten, was immer ihnen in den Sinn kam, so schien es.
    »Ich sagte, herein!«, wiederholte sie und stand von ihrem Stuhl am Fenster auf. Es war nicht Braston, denn das Klopfen war viel zu schüchtern.
    Die Tür wurde geöffnet, und Hauptmann Jandryn trat ein. Sie hatte ihn in gewisser Weise für sich abkommandiert und ihm das Versprechen abgenommen, ihr jeden Tag Bericht zu erstatten. Er war jedoch immer noch nervös in ihrer Gegenwart und presste sich seinen Helm an die Brust.
    »Ich dachte schon, du hättest draußen vielleicht Wurzeln geschlagen«, bemerkte sie angespannt.
    »Ich entschuldige mich, Herrin.«
    Sie sollte zu Braston gehen und ihm seinen dicken Hals dafür umdrehen, dass er sie so lange warten ließ. Sie hätte es bereits getan, sagte sie sich, wenn sie die Zeit nicht gebraucht hätte, um nachzudenken. Was wollte sie überhaupt von Braston? Was war ihr erster Schritt? Sie wusste es nicht, konnte nicht an ihn appellieren, bis sie herausgefunden hatte, was sie von ihm erwartete.
    Nach dem, wozu ich ihn überredet habe, ist es kein Wunder, dass er keine Lust auf meine Ideen hat.
    Der Gedanke drehte ihr den Magen um.
    »Was gibt es Neues?«, fragte sie.
    Jandryn räusperte sich. »Aus Tallaho«, begann er. »Es scheint, dass Forger seinen Thron wieder bestiegen hat.«
    Das erregte ihre Aufmerksamkeit.
    »Forger? Oh, wunderbar, oder nicht? Braston und Forger bringen die Dinge ein wenig in Bewegung, setzen sich auf Throne, die nicht die ihren sind … das wird bestimmt gar keine Auswirkungen auf die Große Magie haben.«
    Sie sackte auf ihren Stuhl zurück. Von dort konnte sie durch ein Fenster auf die Stadt und das improvisierte Lager jenseits der Mauern blicken, wo zahlreiche Menschen, die Brastons Ruf zu den Waffen gefolgt waren, beherbergt und ausgebildet wurden.
    »Sie haben mir meinen alten Tempel wieder angeboten«, sagte sie, »und was habe ich ihnen geantwortet?«
    »Ähm …«, murmelte Jandryn.
    »Ich habe natürlich abgelehnt. Sie hatten bereits eine Priesterin! Eine rechtmäßige, die auf ihrem eigenen Weg in diese Position gelangt war! Auf rechtmäßige Weise!« Sie rieb sich die Augen. »Dein tölpelhafter Herrscher sollte besser den Mut aufbringen, mich bald zu besuchen, sonst werde ich seinen Hintern mit meinem Fuß segnen!«
    Angesichts ihres Zorns verstummte Jandryn vollkommen.
    Yalenna versuchte, sich zu beruhigen. Sie war schließlich die heitere und friedliche Herrin der Segnungen.
    Endlich brachte Jandryn ein wenig Mut auf. »Wünschst du, dass ich dem König eine Nachricht überbringe, Herrin? Dass du ihn sehen willst?«
    »Der König«, antwortete sie, »weiß, wo er mich findet, und du kannst darauf wetten, dass er nicht vergessen hat, dass ich hier bin.«
    Sie strich mit dem Finger über die Rücken aufgestapelter Bücher, die sie aus der Burgbibliothek mitgenommen hatte. Bücher über Geschichte, Mythologie, Magie … keins enthielt irgendeinen Hinweis

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