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Wer hat Tims Mutter entführt?

Wer hat Tims Mutter entführt?

Titel: Wer hat Tims Mutter entführt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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1. Lösegeld für Tims Rennrad
     
    Hinterher kam es Tim so vor,
als habe der dünne Mondstrahl ihn gewarnt, als sei er so was ähnliches gewesen
wie des Messers Schneide, auf der schließlich — laut Sprichwort — Tims
Schicksal stand. Sein Schicksal als Internatsschüler.
    Aber hinterher ist man
bekanntlich immer schlauer. Deshalb beachtete der TKKG-Häuptling, den man früher Tarzan
genannt hat, den Mondstrahl überhaupt nicht, sondern öffnete leise das
Flurfenster.
    Es war eine halbe Stunde vor
Mitternacht, später Freitagabend. Blütenduft erfüllte die laue Sommernacht. Der
leichte Regen vom Abend war längst verdunstet, aber kein Stern zeigte sich. Nur
der Mond schickte Strahlen aus, wenn er hin und wieder hinter den Wolken
hervorkam.
    „Sei vorsichtig!“ flüsterte
Klößchen, Tims Freund und Budenkamerad. Feixend setzte er hinzu: „Nicht pfeifen
oder singen. Auch nicht fluchen. Hängebauch hat Ohren wie ein Luchs.“
    Er meinte Dr. Volgsam, den EvD (Erzieher
vom Dienst ). Sein Spitzname ,Hängebauch’ verriet, wie er aussah. Viel mehr
war von seinem Äußeren nicht zu sagen. Aber die Gruselmärchen über seinen
Charakter hätten Bände gefüllt. Obwohl Hängebauch noch keine Laufbahn hinter
sich hatte, sondern mit seinen 29 Jahren zu den jüngsten Paukern gehörte.
Natürlich stimmte nicht alles, was über ihn erzählt wurde. Aber es
charakterisierte ihn, und das entsprach der Wahrheit. Josef Volgsam war
bösartig. Man konnte meinen, er hasse Kinder und Jugendliche — und sei nur
deshalb Pauker geworden, um es sie spüren zu lassen. Am meisten aber schien er
Tim zu hassen. Es war sozusagen Feindschaft auf den ersten Blick.
    „Wenn der Wabbeltyp mich
erwischt“, flüsterte Tim, „kann ich hier meine Zelte abbrechen.“
    „Er hat heute Dienst.“
    „Hat er nicht. Er ist in die
Stadt gefahren. Um halb zehn.“
    Klößchen gähnte. „Nun mach
schon. Ich will wieder ins Bett. Wenn mir der Schlaf entzogen wird, kriege ich
Falten ins Gesicht.“
    Diese Vorstellung reizte zum
Lachen. Klößchens rundes Mondgesicht würde sicherlich in 50 Jahren noch keine
Runzel aufweisen. Aber Tim lachte nicht. Er war wütend — so wütend, daß er beim
Zähneknirschen auf seine Zunge achten mußte, damit sie nicht zwischen die
Beißerchen geriet.
    Jetzt beugte er sich aus dem
Fenster.
    Es lag — wie alle Buden der
Mittelstufen-Schüler — im zweiten Stock des Haupthauses, und zwar im Winkel
einer vorspringenden Mauer, die üppig mit Weinlaub begrünt war.
    Dort verbarg sich der Haken, an
den Tim die Strickleiter hängte — den seit langem bewährten ,Fluchthelfer’ für
nächtliche Ausflüge. Für Tim hätte zwar ein — noch unauffälligeres —
Kletterseil genügt, aber Klößchen schaffte den Auf- und Abstieg nur mit
Strickleiter. Heute freilich mußte Klößchen nur die Strickleiter „bedienen“. Er
blieb im ADLERNEST, der gemeinsamen Bude. Wegen Krankheit.
    Er hatte sich einen
Holzsplitter, einen sogenannten Schiefer, in die linke Ferse eingezogen. Mit
nachfolgender Entzündung, die einen Salbenverband — angelegt von der
Schulschwester — erforderlich machte. Mit dieser welterschütternden Verletzung
humpelte Klößchen seit heute morgen umher und führte sich auf, als sei sein
Leben in Gefahr.
    „Aber schlaf nicht zu tief!“
warnte Tim. „Wach gefälligst auf, wenn ich das Steinchen ans Fenster werfe.“
    Das war als Zeichen verabredet.
Dann würde Klößchen brummend aus dem Bett steigen, die darunter verstaute
Strickleiter hervorholen und — hoffentlich leise — durch den Flur zum
Flurfenster humpeln, um die Strickleiter wieder draußen in den Haken einzuklinken.
Sie bei geöffnetem Fenster hängen zu lassen, war zur Zeit zu gefährlich.
    So hatten sie entschieden. Weil
kürzlich nachts ein Einbrecher auf dem Internatsgelände gesehen worden war,
machten Hausmeister und EvD bisweilen nächtliche Rundgänge. Unregelmäßig zwar,
aber gerade deshalb riskant für Tim.
    „Ich höre dich bestimmt“,
meinte Klößchen und stöhnte auf, weil ihm seine Schiefer-Ferse einfiel, die er
schon seit zwei Stunden vergessen hatte. „Herrgott, tut das weh. Wäre ich nicht
so heldenhaft tapfer, würde ich mich wimmernd im Krankenzimmer wälzen.“
    „Wenn die Schmerzen
unerträglich werden, kannst du dir den Fuß amputieren ( abnehmen )
lassen.“
    „Bist du verrückt!“
    „Noch nicht. Aber ich werde es,
wenn du noch lange wegen des Splitterchen jaulst.“
    Tim schwang sich über die
Fensterbank, faßte

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