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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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nicht wieder. Glücklicherweise blieben andere, darunter Yalenna und Braston, so gut wie früher, trotz der Eigenschaften, die sie unbeabsichtigt erworben hatten. Für einen kurzen Moment in der Geschichte waren die Wächter die Retter, doch in den folgenden Tagen wurde der Rest der Welt in die Kämpfe mit einbezogen, die zwischen ihnen ausbrachen, und das Volk von Aorn fragte sich bald, ob es ihm nicht mit dem Herrn der Tränen
besser ergangen wäre. Und durch die Wächter lebte seine Verdorbenheit weiter …«
    »Bist du dir sicher?« Tarzi sah zum Himmel, als könnte er sich abermals verdunkeln. »Vielleicht hast du es dir eingebildet.«
    Rostigan hörte sie kaum. Von den Fäden Silbersteins war kaum eine Spur geblieben. Es war nicht aus der Welt gerissen, sondern fein säuberlich beseitigt worden.
    »Rostigan?«
    »Nein. Ich habe es mir nicht eingebildet.«
    »Aber was hat es zu bedeuten?«
    »Das kann ich nicht genau sagen, aber wenn … jemand … eine gesamte Stadt gestohlen hat, könnte er ein Loch erzeugt haben, das groß genug ist, um ein Kräuseln zu erzeugen, und das würde das Flackern des Tageslichts erklären.«
    Tarzi hatte Angst. Ihre Augen glänzten.
    »Und ich habe jemanden gesehen«, fügte Rostigan hinzu. »Kurz davor. Jemanden in einem Mantel, der davonlief und auch einen breiten Hut trug.«
    »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Zu dem Zeitpunkt erschien es mir nicht wichtig.«
    »Ich habe Bilder von der Diebin gesehen. Sie trug immer einen Hut.«
    »Ja.«
    »Und verhüllte ihr Gesicht.«
    »Wie die Gestalt, die ich gesehen habe. Mit einem Tuch vor dem Mund.«
    »Aber das ändert nichts daran, dass die Diebin getötet wurde.« Tarzi rieb sich heftig die Schläfen und murmelte vor sich hin. »Ritter zogen von Silberstein aus, nicht in Rüstung, sondern schlicht in Hemd und Hose. Sie saßen auf Stuten, die weder vom Wesen noch von der Farbe her auffielen, und waren mit stumpfen, einfachen Schwertern bewaffnet. Und weil es nichts an ihnen gab, was sich in Poesie verwandeln ließe, konnte ihre Feder die Diebin nicht retten, als die Ritter sie im Wald aufstöberten. Während sie brannte, wurde alles, was sie gestohlen hatte, der Welt zurückgegeben.«
    Rostigan nickte. »So erzählt es die Geschichte.«
    »Diese Geschichte ist dreihundert Jahre alt.«
    »Wohl wahr.«
    »Willst du sagen, sie ist nicht gestorben?«
    »Nein.«
    »Sondern?«
    »Keine Ahnung.«
    Rostigan verschwieg ihr, dass er sich bereits seit einiger Zeit Sorgen wegen der Großen Magie machte. Es lag nicht nur an den immer häufiger zu hörenden Gerüchten über Würmer und Seidenrachen, nicht an der Schlacht auf den Feldern von Ilduin oder an dem kurzen Augenblick der Nacht am Strand … Es war der Anblick eines Blatts, das zu langsam zu Boden taumelte, oder eines Tieres, das rückwärts lief, in einer Weise, die unmöglich schien, oder ein seltsamer Geruch, der in der Luft lag, als würde die Erde brennen. Es war das Wissen darum, dass die Wunde über dem Turm niemals geschlossen worden war. Und diese Sorge – eine Vorahnung? – war immer stärker geworden.
    Er hatte nicht versucht, es Tarzi zu erklären. Sie war jung, und für sie war die Welt so, wie sie stets gewesen war.
    Er schaute sich um und meinte die Stelle zu entdecken, wo die Gestalt verschwunden war – ja, dort, an einem Bach, der in den Wald floss. Sein Kopf dröhnte. Wenn die Diebin tatsächlich wieder unterwegs war, würde das Volk von Aorn leiden müssen. Sogar die anderen Wächter hatten sich vor ihr gefürchtet. Auch wenn sie selbst gegen ihr Gift immun gewesen waren, hatte sie Burgen unter ihren Füßen und ganze Heere von ihren Feldern verschwinden lassen. Wenn Rostigan hier und jetzt die Gelegenheit bekam, sie aufzuhalten, ehe sie weiteren Schaden anrichten konnte, bevor die Welt überhaupt von der Bedrohung erfuhr und bevor die Diebin ihrer Legende weitere Kapitel hinzufügen konnte …
    Es war der Moment, in dem er Tarzis Gesellschaft bedauerte. Leider war es auch ein Moment, in dem sie bei ihm bleiben würde, um alles mit anzusehen.
    »Ich muss die Frau verfolgen, die ich gesehen habe«, erklärte er ihr. »Nur auf diese Weise kann ich mir Gewissheit verschaffen. Wenn es die Diebin ist, muss ich sie töten.«
    Und sofort leuchteten Tarzis Augen. »Stell dir nur das Lied vor, wenn du sie besiegst!«
    »Wünsch dir und der Welt das lieber nicht«, erwiderte Rostigan düster. »Wünsch dir lieber, dass ich mich irre.«
    Es wurde dunkel, und die dicken Stämme

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