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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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ganzen Körper.«
    Der Junge versuchte, sich zu befreien, doch Merrik festigte seinen Griff. Als der Bursche sich noch mehr wand, fühlte Merrik etwas Nasses, Klebriges am Arm. Vorsichtig drehte er den Kranken zur Seite und riß das verdreckte Robbenfell und den zerfetzten Kittel auf. Darunter kam das saubere Leinen zum Vorschein. Als er es berührte, zuckte der Junge zurück und versuchte erneut, sich ihm zu entwinden. Doch diesmal war Merrik darauf gefaßt. Er legte ihm die Hand auf den Rücken. Der Bursche stöhnte auf. Jetzt erst sah Merrik die dunklen Flecken auf dem hellen Leinen. Im schwachen Schein der Mondsichel erkannte er Blut an seiner Handfläche.
    Merrik erschrak und hütete sich, den Rücken des Kranken noch einmal zu berühren. »Halt still, sonst tue ich dir unnötig weh. Man hat dich ausgepeitscht.«
    »Ja«, stöhnte der Junge. »Thrasco hat mich ausgepeitscht.«
    »Weil du auf dem Sklavenmarkt nach ihm geschlagen hast.«
    »Ja, um mir Gehorsam beizubringen.«
    »Halt still«, wiederholte Merrik. »Ich muß die Wunden untersuchen. Jetzt weiß ich, woher dein Fieber kommt.«
    Vorsichtig schälte er das Leinen ab, das an vielen Stellen an den blutigen Hautfetzen klebte. Taby stand neben ihm, Tränen liefen ihm über die blassen Wangen.
    »Schon gut, Taby. Er wird wieder gesund. Setz dich, sonst fällst du noch über Bord.«
    Merrik betrachtete den schmalen Rücken und die offenen Wunden der Peitschenhiebe. Es war ein sehr schmaler, weißer Rücken, der zur Körpermitte noch schmaler wurde. Irgend etwas stimmte nicht. Er betrachtete die dünnen Arme, die mageren Schultern, den schlanken Hals, das verfilzte, kurze Haar. Sanft legte er den Jungen bäuchlings auf seine Schenkel und zog die zerfetzte Hose nach unten über die Hüften. Wieder bäumte der Junge sich auf und bearbeitete Merriks Beine mit Fäusten. Doch Merrik ließ sich nicht beirren, sondern drückte ihm die flache Hand auf das Steißbein, schob die Hosen weiter und entblößte sein Hinterteil.
    Das waren keine männliche Hüften. Das war kein männlicher Hintern.
    Merrik schloß seufzend die Augen.
    Er hörte Cleve rufen: »Nein, Herr. Zieht den Burschen nicht aus. Er wird sich erkälten!«
    An Cleve und das Mädchen auf seinen Schenkeln gerichtet, rief Merrik zurück: »Ja. Er soll seine Kleider ruhig behalten.«
    Er zog ihr die Hosen hoch, beugte sich vor und flüsterte nahe an ihrem Ohr. »Halt still. Ich weiß, wen ich vor mir habe.« Und dann fluchte er gotteslästerlich, bis er die Angst in Tabys Augen sah. Erst dann hörte er auf.
    »Ich tu ihr nicht weh«, sagte er leise zu dem Kind. »Bleib sitzen. Ich will mir nicht um dich auch noch Sorgen machen.«
    Er wusch ihre Wunden, so gut er es vermochte. Das Flußwasser war sauber und kalt. Er war noch nie in seinem Leben ausgepeitscht worden. Und er selbst hatte nie einen Sklaven ausgepeitscht. Er hatte schon mal Schläge verteilt, um sich Respekt zu verschaffen, besonders bei neuen Sklaven. Aber einem Menschen mit Lederriemen das Fleisch vom Rücken zu peitschen, nein.
    Behutsam legte er das nasse Tuch auf ihren Rücken, in der Hoffnung, ihren Schmerz damit zu lindern, und das Fieber zu senken. Plötzlich schwankte das Boot, legte sich in einer Querströmung gefährlich zur Seite, und sie glitt ihm beinahe von den Schenkeln.
    Er rief zu Oleg hinüber: »Halt Ausschau nach einem geeigneten Platz, wo wir anlegen und das Nachtlager aufschlagen können. Der Junge ist von dem Schweden schwer mißhandelt worden, ich muß ihm den Rücken verbinden.«
    Roran, der nur ein Ohr und kohlschwarze Augen hatte und keinerlei Ähnlichkeit mit einem Wikinger aufwies, wunderte sich: »Das ist alles sehr seltsam, Merrik.«
    »Ja, das ist es. Ich verlasse mich ganz auf deine Wachsamkeit, Roran, denn ich muß mich um den Burschen kümmern. Ich habe nichts von wilden Stämmen in diesem Uferabschnitt des Dnjepr gehört. Du etwa?«
    Roran schüttelte den Kopf. »Ich glaube kaum, daß sie dumm genug sind, einen Angriff zu wagen.« Fragend blickte er zum Alten Firren, dem besten Steuermann weit und breit. Firren schüttelte den Kopf. »Die Gegend hier ist ziemlich sicher. Aber bald kommen wir nach Tschernigow, und in diesem stinkenden Ort treibt sich eine Menge Gesindel herum.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Ich glaube nicht, daß uns hier jemand angreift. Wir halten Wache. Kümmere du dich um den Kranken.«
    An einem flachen Uferstreifen, der bedeckt war mit schwarzem Schotter und Treibholz, zogen die Männer das Boot

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