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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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an Land. Föhren und Tannen standen nahe am Ufer. Und nur die Götter wußten, wer sich in dem undurchdringlichen Wald dahinter verbergen mochte.
    Er legte sie vorsichtig über die Schulter. Sie leistete keinen Widerstand, hing wie leblos an ihm. Und er fürchtete, sie habe wieder das Bewußtsein verloren. Oleg nahm Taby in seine Obhut. Cleve wanderte auf dem schmalen Uferstreifen hin und her. Merrik trat zu ihm, das Mädchen über der Schulter.
    »Hilf den Männern, die Zelte aufzurichten. In mein Zelt legst du ein paar Felle und Decken. Die Männer machen ein Lagerfeuer und bald gibt es zu essen. Kennst du ihren Namen?«
    »Laren.«
    »Eigenartiger Name. Weißt du, woher sie kommt?«
    »Ich bin nicht gestorben«, meldete sie sich mit einer kleinen Drehung des Kopfes. Er hörte Schmerz und Trotz aus ihrer Stimme. »Cleve weiß nichts von mir. Laß mich runter! Ich will deine schweren Hände nicht auf mir spüren.«
    »Du bist nicht kräftig genug, um dich gegen mich zu wehren«, entgegnete Merrik gutmütig. »Also halte besser den Mund.«
    »Laß mich runter!«
    »Gleich, wenn ich dich auf ein Lager betten kann.«
    Sie sagte nichts mehr.
    Nachdem sein Zelt errichtet und ein paar Felle darin ausgebreitet waren, trat er mit eingezogenem Kopf hinein und legte sie auf den Bauch. »Bleib liegen«, befahl er knapp und ging Holz sammeln. Er wollte sie waschen. Sie roch wie der Hund seines Bruders nach einem langen Winter. Und Taby stank nicht minder.
    Cleve fütterte sie mit Fladenbrot, das er in heißes Wasser tunkte, dazu gab er ihr eine Handvoll Pekan- und Haselnüsse. Cleve badete den kleinen Taby, und der schwarzäugige Roran brachte ein paar Kleidungsstücke für den Kleinen.
    Als sie später um das Lagerfeuer saßen, Trockenfleisch und Nüsse aßen, blickte Merrik in die Runde seiner Gefährten und sagte: »Der Bursche wurde von Thrasco schwer mißhandelt. Im übrigen ist er kein Junge sondern ein Mädchen. Es gibt keinen Grund, euch das zu verheimlichen. Sie heißt Laren; mehr weiß ich nicht, außer daß Taby ihr kleiner Bruder ist. Ich kümmere mich um sie. Sie ist sehr jung, nicht älter als eure kleinen Schwestern, deshalb kommt nicht auf dumme Gedanken. Schlagt euch die Bäuche voll, trinkt nicht mehr als einen Krug Bier und legt euch bald zur Ruhe. Eller, halte deine Nase in die Nachtluft. Du übernimmst die erste Wache.«
    Als er den Männern die Neuigkeiten mitteilte, hörte er Cleves Schnauben. Merrik wandte sich an ihn. »Früher oder später würden sie es ohnehin erfahren. Es gibt keinen Grund, es ihnen zu verschweigen. Es sind gute Männer, für die ich meine Hände ins Feuer lege.«
    Immerhin aber waren es Wikinger, rauhe und gewalttätige Gesellen. Cleve entgegnete: »Sie sagt, sie habe sich lange als Bursche ausgegeben. Aber sie sieht nicht aus wie ein Bursche.«
    »Nein«, pflichtete ihm Merrik bei.
    Er ging ins Zelt zurück und untersuchte ihren zerschundenen Rücken. Wie nebenbei bemerkte er: »Du kannst in mir deinen Vater oder deinen Bruder, wenn du willst auch deine Mutter sehen, wenn ich dein Schamgefühl verletze. Jedenfalls zieh ich dir jetzt diese Lumpen aus und wasche dich, und dann ziehe ich dir frische Sachen an. Ich habe einen sauberen Kittel, und Eller, mein kleinster Mann, gibt dir eine Hose. Von Oleg, den du in die Hand gebissen hast, bekommst du einen Strick, um die Hose zusammenzuhalten.«
    »Ich will, daß du gehst. Ich brauche dich nicht.«
    »Halt den Mund! Wenn du dich wehrst, setze ich dich hier aus und nehme nur Taby mit. Du wirst ihn nie Wiedersehen. Hast du verstanden, Mädchen?«
    Sie schwieg.
    »Ich habe nicht die Absicht, dir Gewalt anzutun, wenn das der Grund ist, warum du so giftig bist. Weißt du eigentlich, wie du aussiehst? Etwa so verlockend wie ein Misthaufen. Und du bist klapperdürr. Wie alt bist du? Zwölf? Ich bin kein Kinderschänder. Und auch keiner meiner Männer würde sich an einem Kind vergehen. Also halt den Mund! Es tut weh, aber ich versuche, vorsichtig zu sein.«
    Merrik erkannte seinen Irrtum, als er ihr die zerfetzten Hosen auszog und aus dem Zelt warf. Sie lag mit leicht gespreizten Beinen auf dem Bauch, sehr mager und langgliedrig, aber wohlgeformt. Ihre Hüften waren weder die schmalen Hüften eines Knaben, noch die Hüften eines zwölfjährigen Mädchens, sie waren knochig, aber es waren die geschwungenen Hüften einer Frau.
    Merrik fluchte.

Kapitel 4
    Merrik wusch sie schweigend. Sie war entsetzlich mager, blaß und knochig, und das machte

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