Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
kaum, daß Taby einen lohnenden Preis erzielt«, antwortete er nachdenklich. Zugleich schwang Ärger in seiner Stimme über ihr tiefes Mißtrauen. Hatte er sie nicht befreit? »Er ist ein kleines Kind und bringt nicht viel. Vielleicht verkaufe ich ihn trotzdem.«
    »Ich kaufe uns frei. Uns beide und Cleve.«
    »Hast du irgendwo einen Silberschatz versteckt?« lachte er höhnisch.
    Sie blieb stumm.
    »Dich auch?«
    »Ja, uns drei.«
    Er lachte wieder. »Du liegst flach auf dem Bauch, hast nur die Kleider auf dem Leib, die meine Männer dir gegeben haben. Das Essen in deinem Bauch ist von mir. Alles ist von mir, sogar dein frisch gewaschenes Haar hast du mir zu verdanken. Ohne mich hättest du Taby nie wieder gesehen. Du solltest deine Zunge besser im Zaum halten, das würde dir besser anstehen.«
    Sie schwieg lange. Merrik stand auf, streckte sich, goß das schmutzige Waschwasser weg und warf ihre stinkenden Lumpen in den Wald. Dann kam er zurück, legte sich neben sie und blies die Kerze aus. Im Zelt herrschte tiefe Finsternis.
    »Du hast recht«, sagte sie, wandte das Gesicht ab und war kurz darauf eingeschlafen.
    Merrik fand erst im Morgengrauen Schlaf. Weswegen hatte er recht? Daß sie ihre Zunge im Zaum halten sollte? Das erschien ihm einsichtsvoll, doch er zweifelte, daß sie seinen Rat lange Zeit beherzigen würde.
    Oleg rief: »Merrik, Eller riecht etwas!«
    Ellers Nase war untrüglich. Innerhalb kürzester Zeit schafften die Männer Gerätschaften und Zelte ins Langboot. Merrik zog dem Mädchen in aller Eile die Hosen an, warf ihr einen Kittel über und trug sie ins Boot, das die Männer kurz darauf in die Strömung schoben, um dann an Bord zu springen. Im nächsten Augenblick brachen an die fünfzig kleinwüchsige Männer aus dem Wald ans Ufer, johlten und schrien und warfen Speere und Steine nach ihnen. Ein Speer bohrte sich keine Handbreit neben dem Alten Firren in die Holzbank. Er zuckte nicht einmal mit den Wimpern und hielt das Steuer fest in der Hand.
    »He?« meinte er bloß und spuckte über den Bootsrand in Richtung Ufer.
    »Die meisten hätten wir getötet und den Rest gefangen nehmen können«, sagte Oleg versonnen.
    »Die sahen mir nicht so aus, als würden sie sich zu Sklaven eignen«, entgegnete Merrik.
    Oleg beschattete die Augen gegen die grelle Sonne. »Wahrscheinlich hast du recht.«
    Unversehens stand Taby vor ihm und schaute ihn mit großen Kinderaugen an. Olegs Gesichtsausdruck veränderte sich, seufzend hob er das Kind auf den Schoß und beugte sich wieder über das Ruder.
    Bald waren die kleinen Männer, die am Ufer auf und ab hüpften und wilde Flüche in einer fremden Sprache ausstießen, den Blicken der Wikinger entschwunden.
    Merrik blickte auf das Mädchen hinunter. Sie war wieder eingeschlafen. Ihre Haut war sehr weiß, und er fürchtete, die Sonne würde sie verbrennen. Er beugte sich vor, um ihr etwas Schatten zu spenden, doch das half nicht viel.
    Es war Cleve, der ihm stumm eine Art Hut reichte, den er aus einer Holzschale und einem Stück Stoff gebastelt hatte.
    Als sie erwachte, hielt Merrik ihr ein Stück Brot hin. Sie blickte ihn stumm an.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Sauber.«
    Er grinste. »Erinnerst du dich, daß ich dich gestern abend gewaschen habe?«
    Sie nickte stumm. Doch bald würde sie ihm wieder eine unflätige Antwort geben. Nein, sie würde ihre Zunge nicht in Zaum halten. Er brach ein Stück Brot ab und steckte es ihr in den Mund.
    »Ich bin froh, daß du noch am Leben bist«, sagte er, während sie andächtig kaute.
    Er fütterte sie, bis sie den Kopf schüttelte: »Ich kann nicht mehr. Kaum zu glauben, aber ich bin satt.« Sie seufzte. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal satt war. Ein voller Bauch ist ein wunderbares Gefühl. Danke.«
    »Nicht der Rede wert«, antwortete er. »Möchtest du wieder schlafen?«
    »Nein.«
    »Ich will mir deinen Rücken ansehen, um die Wunden noch einmal zu säubern.«
    Er sah ihr an, daß sie es ablehnen wollte, doch sie schwieg. Sie war also lernfähig und konnte sich beherrschen. Das mußte sie können, denn sonst hätte sie als Sklavin nicht lange überlebt.
    Behutsam drehte er sie auf den Bauch und schob den Kittel hoch. Er hob den Kopf, um sich zu vergewissern, daß die Männer mit dem Rücken zu ihm über ihre Ruder gebeugt saßen. Dann schöpfte er Wasser aus dem Fluß und machte sich an die Arbeit. Ihr provisorischer Sonnenhut rutschte ihr vom Kopf.
    Wie konnte je ein Mensch sie für einen Jungen

Weitere Kostenlose Bücher