Der Hexer - GK571 - Tyrann aus der Tiefe
»Sie dürfen nicht sprechen. Ich hole Ihnen einen Arzt.«
»Das ... hat keinen Sinn mehr«, antwortete der Sterbende. Sein Blick verschleierte sich, und plötzlich wurde sein Körper schlaff. Aber noch immer war Leben in ihm.
»Hören Sie ... zu, Craven«, flüsterte er. »Ich habe ... Nachricht für ... Sie.«
»Eine Nachricht?«
»Es gibt einen ... einen dritten Magier«, murmelte er. Seine Stimme war kaum noch zu verstehen. »Sie müssen ... fliehen. Gefahr ... noch nicht ... vorüber. Es gibt ... dritten Magier ...«
»Was meinen Sie damit?« fragte ich. »Wovon reden Sie, O’Banyon? Welchen Magier? Wer hat Ihnen das gesagt?«
O’Banyon antwortete nicht mehr. Er war tot.
Sekundenlang blickte ich schweigend auf sein erschlafftes Gesicht herab. Dann hob ich die Hand, beugte mich vor und schloß ihm behutsam die Augen.
»Ist er tot?«
Ich sah auf, als ich Priscyllas Stimme vernahm. Sie war nähergekommen, ohne daß ich es gemerkt hatte. Ihr Gesicht wirkte erstaunlich gefaßt, aber in ihren Augen war ein Brennen, das ich mir nicht erklären konnte. Wahrscheinlich war sie halb wahnsinnig vor Angst.
»Ja«, antwortete ich. »Er ist tot.«
»Donhill auch«, sagte sie leise. »Ich ... habe mich davon überzeugt.« Plötzlich von einer Sekunde zur anderen, war ihre Selbstbeherrschung zu Ende. Sie stieß einen kleinen, schrillen Laut aus, fiel neben mir auf die Knie und warf sich mit aller Macht an meine Brust.
»Bring mich weg hier, Robert«, flehte sie. »Bitte, bitte, bring mich weg.«
Ich umarmte sie behutsam, streichelte ihr Haar und küßte zärtlich ihre Stirn.
»Du brauchst keine Angst mehr zu haben, Pri«, flüsterte ich. Plötzlich überfiel mich eine Welle der Zärtlichkeit, wie ich sie noch nie zuvor in meinem Leben verspürt hatte.
Aber vielleicht war es auch nur Angst, und vielleicht klammerte ich mich genauso hilfesuchend an sie, wie sie sich an mich. Ich wußte nur, daß ich dieses Mädchen liebte. Es war seltsam, beinahe grotesk – aber in diesem Moment, während rings um uns herum das Chaos tobte, wußte ich mit unerschütterlicher Sicherheit, daß ich sie
liebte.
Und sie mich.
Nach einer Weile löste sich Priscylla aus meinen Armen, wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und sah mich an. »Was hat er gemeint?« fragte sie.
»O’Banyon?«
Sie nickte. »Er sagte: Es gibt einen dritten Magier.«
Ich schwieg einen Moment, zuckte hilflos mit den Schultern und drückte sie erneut an mich. »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Ich weiß nur, daß du keine Angst mehr zu haben brauchst, Liebling. Nie wieder. Es ist vorbei. Endgültig.«
Aber das stimmte nicht.
Ich wußte es im gleichen Moment, in dem ich die Worte aussprach. Es war nicht vorbei. Noch lange nicht.
Es fing erst an.
ENDE
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