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Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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»Aber Sie müssen auch nicht zu Fuß gehen. Mein Haus ist keine halbe Meile von hier entfernt. Wenn Sie mit meinem Gästezimmer Vorlieb nehmen wollen, können Sie die Nacht dort verbringen. Morgen früh kümmere ich mich darum, daß Sie ein frisches Pferd bekommen. Oder besser gleich zwei«, fügte er mit einem Seitenblick auf das zweite, noch angespannte Tier hinzu. Howard zögerte. Ohne ihn anzusehen spürte ich, daß ihm der hochgewachsene Fremde mindestens ebenso suspekt vorkam wie mir. Aber wir hatten keine große Wahl.
    »Das ... wäre überaus freundlich von Ihnen, Mister ...«
    »Boldwinn«, sagte der Fremde. »Lennon Boldwinn, Sir. Zu Ihren Diensten.«
    Howard deutete eine Verbeugung an. »Phillips«, sagte er. »Howard Phillips. Mein Neffe Richard und Rowlf, unser Hausdiener und Kutscher.« Nacheinander deutete er auf mich und Rowlf; gleichzeitig warf er mir einen raschen, beschwörenden Blick zu. Ich widerstand im letzten Moment der Versuchung, zu nicken. Sicher, es gab keinen Grund, Boldwinn zu mißtrauen – aber es gab auch keinen Grund, ihm zu trauen. Und wir hatten schon in London verabredet, unter falschem Namen zu reisen.
    »Dann kommen Sie, Mister Phillips«, sagte Boldwinn knapp. »Es ist spät, und ich habe einen weiten Weg hinter mir und bin müde. Steigen Sie in Ihre Kutsche. Ich reite voraus.« Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er sein Pferd antraben und ritt an uns vorüber. Für einen ganz kurzen Moment konnte ich sein Gesicht im bleichen Licht des Mondes genauer erkennen. Es ähnelte auf schwer zu beschreibende Weise dem Howards – schmal, von scharfem, beinahe – aber eben nur beinahe – aristokratischem Schnitt, mit dunklen Augen und eingerahmt von einem pedantisch ausrasierten King-Arthur-Bart. Seine Haut schien mir unnatürlich bleich, aber ich war mir nicht sicher, ob dieser Eindruck nicht einfach am Licht lag. Und er hockte in unnatürlich verkrampfter Haltung im Sattel. Entweder hatte er wirklich einen sehr langen und anstrengenden Ritt hinter sich, oder er war – was mir wahrscheinlicher erschien – kein sehr geübter Reiter.
    Howard berührte mich am Arm und deutete auf die Kutsche. Rowlf hatte das überzählig gewordene Geschirr mittlerweile zu einem Bündel verschnürt und zwischen unser Gepäck auf das Dach der Kutsche geworfen. Das verletzte Tier stand ein Stück abseits, aber ich wußte, daß es uns folgen würde, sobald die Kutsche anfuhr.
    Wir stiegen wieder in den Wagen. Howard schloß die Tür, schob jedoch den Vorhang zur Seite und setzte sich so, daß er aus dem Fenster blicken und Boldwinn unauffällig im Auge behalten konnte. Rowlf ließ seine Peitsche knallen; der Wagen setzte sich schaukelnd in Bewegung. Das Knarren der schweren hölzernen Räder auf der staubigen Straße schien mir lauter als vorher.
    »Was hältst du von ihm?« fragte Howard nach einer Weile.
    »Boldwinn?« Ich zuckte mit den Achseln. »Ich glaube nicht, daß ich ihn mag«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Aber zumindest bewahrt er uns davor, auf offener Straße übernachten zu müssen.«
    Howard runzelte die Stirn. »Vielleicht wäre das besser«, murmelte er. Die Worte schienen mehr für ihn selbst als für mich bestimmt, aber ich antwortete trotzdem darauf. »Du traust ihm nicht?«
    »Trauen ...« Howard seufzte. »Wahrscheinlich sehe ich Gespenster«, sagte er. »Aber es kommt mir seltsam vor, daß er ausgerechnet jetzt auftaucht. Immerhin sind wir seit fast zwei Stunden keiner Menschenseele begegnet. Sein Hilfsangebot kam ziemlich schnell.«
    »Ich dachte immer, die Engländer sind besonders hilfsbereite Menschen.«
    Howard lachte leise. »Jeder Mensch ist hilfsbereit, wenn er Gründe dafür hat«, antwortete er zweideutig. »Aber vermutlich hast du recht – wir sollten froh sein, daß wir nicht wirklich auf der Straße schlafen müssen.«
    »Und wie geht es weiter?«
    Howard schwieg einen Moment. »Dieses kleine Unglück ändert nichts an unserem Plan«, antwortete er schließlich. »Ich habe Freunden in Durness telegrafiert, daß wir kommen. Sie werden eine gewisse Verspätung einkalkulieren.«
    Der Klang der Hufschläge änderte sich. Die Kutsche begann stärker zu schaukeln und legte sich schließlich wie ein Schiff auf hoher See auf die Seite. Ein harter Stoß traf die kaum gefederten Achsen und beutelte Howard und mich, als Rowlf den Wagen hinter unserem Führer auf einen schmalen, von tiefen Schlaglöchern und Gräben durchzogenen Waldweg lenkte.
    Für den Rest des Weges

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