Der Hexer - NR02 - Der Seelenfresser
sich mit einer fast grotesken Bewegung herum und trat mit dem freien Bein nach meinem Gesicht.
Sein Fuß verfehlte meine Schläfe, aber ich lockerte instinktiv meinen Griff. Der Buckelige keuchte triumphierend, riß seinen Fuß aus meiner Umklammerung und raste auf allen vieren auf die offenstehende Tür zu.
Ich war mit einem Satz hinter ihm her, erreichte ihn aber nicht mehr.
Das letzte, was ich von ihm sah, war ein huschender Schatten, der behende wie ein Baumaffe den Schacht hinunterturnte und mit den glitzernden Schatten an seinem Grund verschmolz...
* * *
Niemand hatte ihm direkt gesagt, daß er ein Gefangener wäre; natürlich nicht. Er wurde weiterhin mit der gleichen, schon fast kriecherischen Ehrerbietung wie am ersten Tag behandelt, und er konnte sich weitestgehend frei in der Festung bewegen.
Aber er war ein Gefangener.
»Herr?«
DeVries wandte sich fast erschrocken vom Fenster um. Für einen Moment war er irritiert. Er war so in Gedanken versunken gewesen, daß er nicht einmal bemerkt hatte, wie der Bruder den Raum betreten hatte. Seltsam, dachte er. Seine Konzentration schien nachzulassen, seit er diese bizarre Festung am Ende der Welt betreten hatte. Es war nicht nur ihr Äußeres, das ihn irritierte; es war auch etwas in ihr, das er sich nicht erklären konnte. Etwas Gefährliches. Auch seine Brüder wirkten zunehmend nervöser und fahriger.
Er vertrieb den Gedanken, straffte sich und strich mit der Linken eine Falte aus seinem weißen Zeremonienmantel, während er den Bruder ansah. »Ja?«
»Necron erwartet Euch«, sagte der Bruder. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber in seinen Augen loderte die Furcht. Sie alle hatten Angst vor Necron. Auch DeVries selbst – aber das gestand er nicht einmal sich selbst gegenüber ein.
Er nickte und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Graues Dämmerlicht umgab ihn, während er mit raschen Schritten den niedrigen Gang hinunterging. Die Festung war voller unheimlicher Geräusche und Laute, und ab und zu glaubte er mit dem Wind ein sonderbar klagendes Singen heranwehen zu hören.
Er schauderte. Vom ersten Moment an war ihm die Drachenburg der Hexer unheimlich gewesen. Der Ordensmeister hatte ihm eingeschärft, höflich und zuvorkommend zu seinen Gastgebern zu sein und sich nichts von seinen Ängsten und Befürchtungen anmerken zu lassen, und DeVries bemühte sich nach Kräften, seinem Befehl nachzukommen.
Aber das änderte nichts daran, daß er im Innersten felsenfest davon überzeugt war, Necron und seine Jünger mit dem Satan im Bunde zu wissen.
Necron erwartete ihn in seinem Gemach, auf seinem mächtigen Thronsessel sitzend, und wie immer sah er aus, als hätte er sich die letzten fünfzig Jahre kaum bewegt. Ein alter, uralter Mann, der schon vor einem Jahrhundert hätte sterben sollen. Das einzige, was an ihm noch wirklich lebte, waren die Augen. DeVries hatte noch nie einen so alten Menschen gesehen.
Und noch nie einen, der eine so körperlich fühlbare Macht ausstrahlte.
Er wartete, bis die Wächter die Tür hinter ihm geschlossen hatten, ging auf Necron zu und setzte sich, als der alte Mann eine auffordernde Handbewegung machte.
»Hattet Ihr eine gute Nacht, DeVries?« erkundigte sich Necron. Seine Stimme stand in krassem Widerspruch zu seinem Äußeren – sie war stark und fest und klang wie die eines jungen Mannes. DeVries nickte.
»Ihr habt mich rufen lassen, Necron. Habt Ihr... Neuigkeiten von Shannon?«
»Ja.« Necrons Miene verdüsterte sich, wenn auch nur für einen Moment. »Aber keine guten.«
»Keine guten?« DeVries runzelte die Stirn. »Ist er tot?«
Aus irgendeinem Grund schienen seine Worte Necron zu amüsieren, denn der Alte lächelte plötzlich. »Tot? Nein, mein Freund – tot ist er nicht. Aber es ist, wie ich Euch gestern schon sagte. Die Dinge entwickeln sich anders, als wir voraussehen konnten.«
»Was soll das heißen?« Plötzlich schwang ein hörbar mißtrauischer Ton in seinen Worten. »Wir haben unseren Teil der Abmachung erfüllt. Jetzt erfüllt auch Ihr Euer Versprechen.«
Ein sonderbares Licht glomm in Necrons Augen auf. »Robert Craven lebt noch«, sagte er.
»Das ist Euer Problem«, gab DeVries hart zurück. Wut erfüllte ihn, Wut auf diesen alten Mann, der glaubte, ihn zum Narren halten zu können. »Es ist nicht unsere Schuld, wenn Euer Mann es nicht schafft, ihn zu vernichten. Wir haben einen Handel vereinbart – Ihr und mein Herr, in dessen Auftrag ich hier bin. Unseren Teil haben wir erfüllt,
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