Der Hexer - NR03 - Cthulhu lebt!
diesem Teil der Welt gab. Jeder von ihnen hätte sich ohne zu zögern in sein Schwert gestürzt, hätte er es verlangt. Aber was sie gesehen hatten, war kein Wesen von dieser Welt gewesen. Nicht einmal ein Dämon, denn auch den hätten sie kaum gefürchtet.
Was sie gesehen hatten, war das Grauen selbst gewesen, ein Ding aus Schatten und Furcht und gestaltgewordenem Entsetzen.
Nein – er konnte es ihnen nicht verübeln, daß sie Angst zeigten, denn auch in seine Gedanken hatte sich, die Furcht gekrallt. Trotzdem klang seine Stimme kalt wie immer, als er die Hand hob und auf einen der Männer deutete. »Du!«
Der Krieger trat vor und senkte demütig das Haupt.
»Du wirst gehen und den Mann suchen, den ich dir beschrieben habe«, sagte Necron. »Die anderen bleiben mit mir hier und warten, bis du zurück bist.«
In den Augen des Mannes blitzte es erschrocken auf. »Herr!« sagte er. »Ich habe gehört, was –«
»Du hast gehört, was ich gesagt habe, oder?« unterbrach ihn Necron. Seine Stimme klang schneidend. »Du sollst ihn nur suchen, weiter nichts. Du wirst nichts unternehmen. Nichts! Du wirst ihn finden und mir melden, wo er sich aufhält. Aber er darf dich nicht sehen! Ist er durch deine Unachtsamkeit gewarnt, wirst du es mit dem Leben bezahlen. Oder bist du anderer Meinung?«
»Nein, Herr«, flüsterte der Krieger. »Verzeiht meine Unverschämtheit.«
Necron machte eine wegwerfende Handbewegung. »Schon gut. Ich verstehe deine Verwirrung. Aber jetzt geh.«
Seine Hand vollführte eine rasche, komplizierte Geste. Ein kaltes, bläuliches Licht glomm auf, zeichnete die Konturen des Kriegers wie flackerndes Elmsfeuer nach – und erlosch.
Und mit ihm verschwand der Krieger.
Necron blieb noch einen Moment reglos und wie erstarrt stehen. Sein Blick war unverwandt auf die Stelle gerichtet, an der der Mann gestanden hatte, aber seine Augen sahen ins Leere. Und auf seinen Lippen erschien, ganz langsam, ein dünnes, beinahe triumphierendes Lächeln.
Oh ja, er hatte gehört, was er gesagt hatte. Aber er hatte auch die Unsicherheit in seiner Stimme vernommen. Und er hatte zwischen den Worten gelauscht und erkannt, daß ihre Macht lange nicht mehr so gewaltig war wie einst.
Vielleicht würde ihm Craven entgehen, aber das spielte keine Rolle. Er hatte zweihundert Jahre auf diesen Tag gewartet – welche Rolle spielten da ein paar Tage oder Wochen?
Aber er würde das Buch bekommen. Noch heute.
Doch dafür mußte er den Sohn des Hexers noch vor dem GROSSEN ALTEN finden. Nur Craven selbst wußte, wo das NECRONOMICON versteckt lag. Nein, er würde Craven nicht töten. Er würde ihm sein armseliges Leben lassen, für Cthulhu. Aber er würde sich das Buch holen.
Und wenn er es hatte, dachte er, die Worte des GROSSEN ALTEN in Gedanken wiederholend, dann würde er sich den Rest der Welt dazu nehmen. Dann gab es niemanden mehr, den er noch fürchten mußte.
Nicht einmal die GROSSEN ALTEN selbst.
* * *
Das Zimmer lag im obersten Stockwerk des Hauses, unmittelbar unter dem Dach. Eine breite Marmortreppe hatte uns in die zweite Etage geführt, dann hatten wir eine versteckte Tapetentür durchschritten und waren über eine weitere, diesmal hölzerne Treppe hier hinauf unter das Dach gestiegen, wo das Haus nicht mehr von Symbolen des Reichtums und Wohlstandes strotzte (was mir äußerst angenehm auffiel). Doch alles wirkte frisch und ordentlich, als wäre es erst vor wenigen Tagen renoviert worden. In der Luft hing noch der Geruch von Farbe und Leim, alles war hell und freundlich – im Grunde fühlte ich mich hier wohler als unten.
Aber trotz der hellen Farben und der fröhlich gemusterten Tapeten und Vorhänge entgingen mir nicht die Gitter vor den Fenstern, so wenig wie die Türen, die ein ganz kleines bißchen zu solide wirkten. Die Schlösser hätten sogar einen talentierten Einbrecher vor erhebliche Probleme gestellt. Und die dicken Teppiche und Vorhänge dienten hier nicht mehr dem Prestige, sondern der Schallisolierung. Das Dachgeschoß war ein Gefängnis. Ein schalldichtes Gefängnis.
Mein Herz begann wie rasend zu klopfen, als ich die Hand auf den Türknauf legte und ihn zögernd drehte. Ich wußte, wen ich dahinter treffen würde, auch wenn Howard bisher nichts als sinistre Andeutungen gemacht hatte.
Priscylla saß auf ihrem Bett, als wir den Raum betraten, halb aufrecht und von einem Kissen gestützt, das Gesicht zum Fenster gewandt, aber mit geschlossenen Augen. Eine ältliche, grauhaarige Frau saß
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