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Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Titel: Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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Mit lautlosen Schritten ging er zum Fenster, zog die Gardine einen Spaltbreit auf und spähte auf die Straße hinunter.
    Der Anblick unterschied sich in nichts von dem Bild, das er seit fünfundvierzig Jahren zu sehen gewohnt war, wenn er aus dem Fenster sah. Die schmale, wie mit einem Lineal gezogene Straße, zu deren Seiten sich die Handvoll Häuser von St. Aimes drängten, lag verlassen und dunkel hinter ihm. Der Himmel war mit schweren Regenwolken verhangen, und nur hier und da lugte ein Stern oder ein Stück des samtblauen Nachthimmels hervor. Nichts schien sich zu rühren, nirgendwo war eine Bewegung oder ein Anzeichen von Leben zu gewahren.
    Aber das Geräusch war da.
    Stome fuhr sich verwirrt mit dem Handrücken über die Augen, zog die Gardine ein wenig weiter auf und preßte das Gesicht gegen die Fensterscheibe.
    Das Glas war so kalt, daß er im ersten Moment zurückschreckte. Während der letzten Tage hatte es nicht geregnet, aber der Wind hatte einen eisigen Hauch vom Meer her über das Land geblasen, als hätte sich der Winter entschlossen, vor der Zeit zurückzukehren. Stome fühlte die Eiseskälte, die mit der Dämmerung in St. Aimes Einzug gehalten hatte, selbst durch das geschlossene Fenster hindurch. Eigentlich, dachte er schaudernd, war es viel kälter, als es sein durfte, selbst zu dieser nächtlichen Stunde.
    Noch einmal blickte er nach rechts und links und wollte sich schon vom Fenster abwenden, um wieder in die Wärme seines Bettes zurückzukriechen, als er das Licht sah.
    Im ersten Moment war es nicht mehr als ein Flackern; ein kurzer, blaßgrüner Blitz, der die Nacht irgendwo im Westen für Bruchteile einer Sekunde erhellte und genauso schnell wieder erlosch, wie er gekommen war. Dann flammte es ein zweites Mal auf, dann ein drittes, viertes – und jedes Mal hielt das Licht länger an und waren die Pausen aus Dunkelheit dazwischen kürzer.
    Stome blinzelte. Er hatte niemals zuvor in seinem Leben ein Licht von so sonderbarer, gleichzeitig blasser und doch durchdringender Farbe gesehen, und einen ganz kurzen Moment lang versuchte er sich einzureden, daß es nicht wirklich war und er nur Dinge sah, die ihm seine übermüdeten Augen vorgaukelten. Aber dann flammte das Licht erneut auf, heller und viel durchdringender als bisher. Fast, als hätte irgend etwas in dem grünen Schein seine Gedanken gelesen und winke ihm nun spöttisch zu...
    Und für einen Moment glaubte er den geduckten, seltsam verzerrten Schatten eines Menschen vor dem grünen Schein zu erkennen.
    Stome schauderte. Eine leise Stimme in seinem Inneren flüsterte ihm zu, daß es besser wäre, sich nicht um dieses sonderbare Licht zu kümmern, sondern wieder ins Bett zu gehen und die Augen zu schließen, aber gleichzeitig glaubte er auch zu wissen, daß dieses Licht Gefahr bedeutete, eine Art von Gefahr, vor der er nicht davonlaufen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte.
    Einen Moment lang zögerte er noch, dann schloß er die Gardine, wandte sich um und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Er zog die Tür hinter sich ins Schloß und schlich die steile Treppe ins Erdgeschoß hinunter.
    Rasch zog er sich an, schlüpfte in Stiefel und Jacke und nahm nach kurzem Zögern das Gewehr aus dem Schrank. Er fühlte sich einfach wohler, als er das vertraute Gewicht der doppelläufigen Schrotflinte in der Armbeuge spürte.
    Die Kälte schlug ihm wie eine gläserne Hand ins Gesicht, als er das Haus verließ. Ein sonderbarer, gleichzeitig fremder wie vertraut erscheinender Geruch wehte mit dem Wind heran, und als er auf die Straße hinaustrat, glaubte er wieder das Geräusch zu hören, das ihn geweckt hatte, nur daß es diesmal viel näher und irgendwie bedrohlicher wirkte.
    Mit einem entschlossenen Schritt trat er vollends auf die Straße hinaus, nahm das Gewehr in beide Hände und drehte sich einmal um seine Achse. Das Huschen und Trappeln erfüllte die Nacht wie der grausige Gesang des Windes, und im Westen war noch immer das unheimliche grüne Leuchten zu sehen, lautlos und flackernd und auf schauderhafte Weise gleichzeitig erschreckend wie faszinierend.
    Der Friedhof, dachte Stome schaudernd. Das Licht kam aus der Richtung, in der der Friedhof lag. Wieder glaubte er ein warnendes Flüstern zu hören, und wieder schwankte er einen ganz kurzen Moment zwischen dem Wunsch, einfach zurückzugehen, und seiner immer stärker werdenden Neugier.
    Aber Garey Stome war Zeit seines Lebens ein Mann der Tat gewesen, und seine Neugier siegte auch

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