Der Hexer - NR22 - Die Hand des Dämons
mehr tot als lebendig und wunderte mich selbst, wieso ich noch immer bei Bewußtsein war, aber dieser nebensächliche Gedanke krallte sich in meinem Gehirn fest.
Die Besessenen. Das war die Lösung!
Ich hätte es spüren müssen, als ich ihnen meinen Willen aufzuzwingen versuchte. Die Kraft, die sich mir entgegengestemmt hatte, diese Barriere in ihren Gehirnen, das war nicht nur ihre menschliche Energie gewesen. Ich hatte die Menschen nicht beherrschen können, weil sie längst den Befehlen eines anderen gehorchten! Aber diese Erkenntnis kam zu spät.
Ein harter Schlag gegen die Schläfe löschte mein Bewußtsein endgültig aus.
* * *
Teilnahmslos sah er seinem eigenen Sterben zu, fühlte die Flammen, die seinen Körper verzehrten, aber er empfand keine Schmerzen dabei. Etwas schirmte ihn ab, dasselbe Etwas, das zuvor schon seine Seele in einen winzigen Winkel seines Körpers verbannt hatte. Ohne die Möglichkeit, es zu verhindern, hatte er miterleben müssen, wie der Schatten seinen Körper veränderte. Seine neue Art zu Denken bestand nur noch aus einer Aneinanderreihung instinktiver Empfindungen. Er befand sich nach wie vor innerhalb des Körpers, der einmal sein eigener gewesen war, wie er auch alle Ereignisse deutlich miterleben konnte, wenn auch nur als ein über alles schwebender Beobachter. Nicht einmal der Tod Marys hatte ihn aus diesem dumpfen Dämmerzustand aufschrecken können; Trauer und Schmerz fanden keinen Platz in seiner neuen Welt. Er war kein Wesen mehr, sondern nur noch ein Ding, etwas, das tot war, und doch lebte, auf eine unbegreifliche fremde Art.
Sein Körper verbrannte, aber wenn er es auch herbeisehnte, so war es ihm nicht einmal im Tode vergönnt, Erlösung zu finden. Eine noch gewaltigere Kraft packte ihn und riß ihn mit sich.
Eine unendlich anmutende Zeitspanne glitt er durch die Ewigkeit, fühlte Zeit und Raum in sich pulsieren, bis seine Empfindungen zerfaserten, sich auflösten in einer Wolke von Entsetzen.
Er lebte weiter – oder wie immer man diese andere Form der Existenz auch bezeichnen mochte – und wenn er zuvor schon geglaubt hatte, daß es keine Steigerung, des Entsetzlichen mehr geben könnte, so wurde er nun mit dem Unvorstellbaren konfrontiert.
Und er war ein Teil davon.
Das Ding existierte in einer blasphemischen Alptraumwelt, die nicht einmal sein vom Wahnsinn befallener Geist hätte ertragen können – wenn es ihn noch als menschliches Wesen gegeben hätte. Aber seine Persönlichkeit war ausgelöscht. Er war nur eines von unzähligen Teilen des Dings. Er war ES, und ES war anders als alles, was er sich jemals vorzustellen vermocht hätte.
Um ES herum türmten sich Tausende Tonnen von Gestein auf, das er um seine Leblosigkeit beneidete. ES nahm die schwache Ausstrahlung von Menschen wahr, weit entfernt, doch etwas in IHM wehrte sich dagegen, sich ihnen zu nähern. Allein durch ihre Existenz bereiteten die Menschen IHM Schmerzen. Sie mußten ausgelöscht werden, aber gegenwärtig verspürte ES keinen Hunger, und es gab Wichtigeres zu tun, als über die hilflosen Insekten herzufallen, die sich selbst für die Herrscher dieser Welt hielten.
Was zählten schon die wenigen Jahre, die ihnen zum Leben blieben, gegenüber SEINER nach Jahrmillionen währenden Existenz? Jahrmillionen, die ES in unerträglich hilflosem Dämmerzustand verbracht hatte, der sich nun seinem Ende zuneigte. ES hatte viel, viel Zeit zur Verfügung gehabt, um zu lernen, was es bedeutete, warten zu können.
Jemand war erschienen, der etwas in IHM tief berührte. Ihm war es zu verdanken, daß ES aus SEINEM millionenlangen Schlaf erwacht war. Alles hatte sich wiederholt wie in jener Nacht vor nunmehr rund zweihundert Jahren, als ein Sterblicher geglaubt hatte, an SEINER Macht teilhaben zu können. Einer, der der Graue Bredshaw genannt wurde und der sich der uralten Sätze erinnert hatte, die im Buch des Bösen geschrieben stehen:
Das ist nicht tot, was ewig liegt,
bis daß die Zeit den Tod besiegt.
Jener Sterbliche hatte für seinen Frevel büßen müssen, aber dennoch war es IHM nicht gelungen, erneut Fuß in der Welt der Menschen zu fassen.
ES war ein Ableger SHUDDE-MELLs, jenes Mächtigen unter den GROSSEN ALTEN, der Ewig-Eingegrabene und Herrscher über die Erde und die finsteren Reiche der Höhlen. Vor Millionen von Jahren hatte der Dämon diesen Ableger – seine eigene Hand – abgespalten und mit unseligem Leben erfüllt. Aber die GROSSEN ALTEN waren untergegangen und hatten auch
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