Der Hexer - NR25 - Ein Gigant erwacht
er.
»Stimmt«, sagte er. »Gut, daß du mich daran erinnerst, Ralph. Das hätte ich jetzt fast vergessen. Hier, bitte.«
Und mit diesem hier, bitte wandte er sich halb um, lächelte mich an und drückte mir Teagardens Gewehr in die Hand.
Teagarden keuchte. »Was... was soll das, Bill? Der... der Kerl wird mich umbringen!«
»Aber, aber«, antwortete ich tadelnd. »Sie schließen zu rasch von sich auf andere, Mister Teagarden. Ich habe nichts dergleichen vor.«
Teagarden starrte mich ungläubig an, dann atmete er erleichtert auf.
Im ersten Moment. Dann wurde sein Lächeln ein wenig verkrampft, denn ich hob das Gewehr und visierte sein Gesicht durch das Zielfernrohr hindurch an. Mein Finger näherte sich dem Abzug. Ich spürte, wie leicht er sich bewegte. Offensichtlich war er abgefeilt.
»Um Ihre eigenen Worte zu zitieren, Teagarden«, sagte ich freundlich, »dieses Tal ist dafür bekannt, daß es Menschen frißt. Niemand wird sich etwas dabei denken, wenn Sie nicht zurückkommen. Und niemand wird Ihnen eine Träne nachweinen, schätze ich.«
»Das... das können Sie nicht machen!« wimmerte Teagarden.
»Aber natürlich kann ich«, antwortete ich fröhlich. »Passen Sie auf – ich beweise es Ihnen.«
Teagarden kreischte, schlug die Hände über den Kopf und krümmte sich vor Furcht.
Eine Hand berührte mich an der Schulter, so daß ich vor Schrecken beinahe wirklich abgedrückt hätte – was ungefähr das letzte war, was ich beabsichtigte. Zornig fuhr ich herum und erkannte Sitting Bull.
»Das reicht, Blitzhaar«, sagte er ruhig. »Wir müssen fort.«
Seine Worte waren dabei von einem solchen Ernst, daß ich nicht einmal fragte, warum, sondern nur nickte und Cody das Gewehr zurückgab.
Annie und Postlethwaite hatten die Zeit, die wir geopfert hatten, um Teagarden einen kleinen Schrecken einzujagen, gut genutzt. Sie hatten die Überlebenden von Teagardens kleiner Lynchpartie zusammengetrieben und ihnen die Waffen abgenommen. Von den gut fünfzehn Mann, die Teagarden mitgebracht hatte, lebten noch neun; zwei davon so schwer verwundet, daß ich ernsthaft bezweifelte, ob einer von ihnen den nächsten Morgen noch erleben würde. Und die, die mit halbwegs heiler Haut davongekommen waren, waren so eingeschüchtert und verschreckt, daß sie mit Sicherheit keine Gefahr mehr darstellten. Trotzdem hielt Annie die Bande mit gleich zwei Gewehren – in jedem Arm eines – in Schach, während Postlethwaite mit weitaus mehr gutem Willen als Erfolg versuchte, die Pferde zusammenzutreiben. Sitting Bull sah ihm einen Moment kopfschüttelnd dabei zu und half ihm dann, während ich an Annies Seite trat.
»Alles in Ordnung?«
Annie lächelte. »Wie du siehst.« Sie drückte mir ein Gewehr in die Hand. »Aber paß trotzdem auf. Wenn einer der Burschen frech wird, brennst du ihm eins auf den Pelz.«
Die Männer, die ihre Worte hörten, fuhren erschrocken zusammen, aber niemand wagte es, auch nur einen Finger zu rühren. Annie Oakleys Ruf als beste Kunstschützin des Westens war offensichtlich auch zu diesen abenteuerlichen Gestalten durchgedrungen.
Es dauerte eine Weile, bis Sitting Bull und Postlethwaite die Pferde zusammengetrieben und unser über den ganzen Platz verstreutes Gepäck eingesammelt hatten, aber schließlich saßen wir wieder im Sattel, bis an die Zähne bewaffnet. Postlethwaite und ich wollten unverzüglich losreiten, aber diesmal war es Sitting Bull, der uns noch einmal zurückhielt. Mit ernstem Gesicht wandte er sich an Teagarden und den verschüchterten Haufen, der ihn umgab.
»Geht jetzt«, sagte er. »Folgt uns nicht, denn meine Brüder sind noch in der Nähe. Sie werden euch töten, wenn ihr nicht geht.« Er deutete mit einer Kopfbewegung hinter sich. »Eure Waffen liegen dort. Nehmt sie. Ihr werdet sie brauchen.«
»Und die Munition«, fügte Cody feixend hinzu, »lassen wir euch auch da. Ihr müßt nur ungefähr zwei Meilen laufen, bis ihr sie findet. Immer den Spuren eurer Pferde nach.«
Teagarden keuchte, als er begriff, was Codys Worte zu bedeuten hatten. Sitting Bull und Postlethwaite hatten die Pferde nämlich nicht nur eingefangen, sondern auch aneinandergebunden, so daß uns nun mehr als ein Dutzend Reittiere zur Verfügung standen.
»Das ist nicht dein Ernst, Bill!« wimmerte er. »Du kannst uns nicht ohne Pferde hierlassen. Wir werden draufgehen!«
»Ach wo«, antwortete Cody gelassen. »So harte Männer wie ihr doch nicht, Ralph. Wir reiten nach Norden. Nach zwei oder drei Meilen
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