Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
starr auf die Drachenburg gerichtet.
Und langsam, ganz langsam begann etwas Gigantisches aus den Schatten zu kriechen und sich über der Burg zu ballen.
Es sah aus wie eine sechsfingrige Kralle.
Beinahe.
* * *
»DU!« kreischte Necron. Nur dieses eine Wort, aber in ihm war aller Haß, aller Zorn, zu dem er nur fähig war. Sein häßliches Gesicht hatte sich zu einer abstoßenden Grimasse verzerrt, einer widerlichen sabbernden Visage, dem Wahnsinn näher als dem Normalen. Seine Augen loderten, nicht nur im übertragenen, sondern im wortwörtlichen Sinne. Kleine, grünliche Blitze magischer Energie umspielten seine Gestalt.
Er war gestürzt, als ich Priscylla von mir gestoßen hatte, denn sie war gegen ihn geprallt, hatte den Tisch mit dem Buch and den drei SIEGELN zu Boden gerissen und schließlich auch ihn. Seine linke Hand mußte gebrochen sein, so wie er sie hielt. Er war daraufgefallen.
Ich war wieder zurück in der Wirklichkeit, wenn diese Wirklichkeit auch schlimmer war als der Alptraum, aus dem ich im allerletzten Moment zurückgekommen war. Vor mir lag eine winzige, kaum drei Schritte im Quadrat messende Kammer, vollkommen leer bis auf den Tisch mit dem NECRONOMICON und einem Gitterbecken voll glühender Kohlen.
»Du!« kreischte Necron noch einmal.
»Du! Ich werde dich vernichten. Ich töte dich, Andaras Sohn. Du wirst tausend Tode sterben!«
Er sprang auf, riß die Arme in die Höhe und schleuderte einen sengenden Blitz nach mir. Wie von einem Faustschlag getroffen, taumelte ich zurück, schreiend vor Schmerz. Aber das unerträgliche Brennen und Reißen hörte fast so schnell auf, wie es begonnen hatte, und ich spürte, wie das Ding, das noch immer in meinem Inneren tobte, die frische Kraft gierig aufsog und zu ihrer eigenen machte.
Necrons Augen weiteten sich, als er begriff, daß er mich (mich???) nicht getötet, sondern nur noch weiter gestärkt hatte. Er kreischte, wich einen Schritt zurück und bückte sich blitzschnell nach dem Buch, das zu Boden gefallen war, aber das Ding in mir war schneller, packte ihn mit unsichtbaren Händen und schmetterte ihn mit grausamer Wucht gegen die Wand. Necron brüllte, aber diesmal vor Schmerz.
Und dann spürte ich, wie sich die unsichtbare Macht in meinem Inneren ballte, zu einer finsteren, brodelnden Faust aus Haß werdend, bereit, auf Necron herabzufahren und ihn zu zermalmen. Ich hatte ihn vor mir. Der Mann, der meine Priscylla entführt hatte, der für den Tod so vieler meiner Freunde verantwortlich war, das widerwärtige Ungeheuer, das Shadow zu Tode hatte foltern lassen – er war in meiner Gewalt. Eine Bewegung, ein Gedanke von mir reichte, ihn zu vernichten. Der Alptraum hätte ein Ende.
Aber ich tat es nicht.
Ich konnte es nicht. Ich wollte es tun, mit jeder Faser meines Seins, aber ich konnte es nicht. Er lag vor mir, hilflos, mit gebrochenen Gliedern und die Augen voller Angst, aber ich konnte ihn nicht töten.
Und plötzlich sah ich ihn, wie er wirklich war – nichts als ein schmutziger, alter Mann.
Voller Verachtung wandte ich mich um und kniete neben Priscylla nieder. Sie war dort liegengeblieben, wo sie gestürzt war. Ihre Augen waren geschlossen, und ihr Atem ging so gleichmäßig, wie es nur der Atem eines Bewußtlosen tut. Ihre rechte Hand lag wie durch Zufall zwischen den Seiten des NECRONOMICON.
Und im gleichen Moment, in dem ich sie berührte, spürte ich die düstere, unheilvolle Verbindung, die noch immer zwischen ihr und diesem Buch bestand. Das Bündel pulsierender Energiestränge, die ich durch Shannons Augen gesehen hatte, es existierte noch immer. Priscylla war noch immer eine Gefangene dieses entsetzlichen Buches.
Mit einem zornigen Schrei fuhr ich herum und packte Necron am Kragen. »Sprich sie los!« schrie ich. »Löse sie von diesem Buch, oder ich töte dich!«
Necron kreischte vor Schmerz und Angst – und dann begann er zu lachen. »Den... den Teufel werde ich tun!« stammelte er.
Ich schlug ihn, nur mit der flachen Hand, aber sehr fest. Necron stöhnte, wand sich mit aller Kraft unter meinem Griff und stellte jeden Widerstand ein, als ich ihn ein zweites Mal schlug.
»Sprich sie frei!« sagte ich drohend. »Oder ich erwürge dich, alter Mann!«
»Dann... dann tu es doch!« stieß Necron haßerfüllt hervor. »Töte mich. Bring mich um – aber sie wird nicht frei sein.« Er kicherte, richtete sich auf, so weit es mein Griff zuließ, und starrte mich aus lodernden Augen an. »Ja!« sagte er sabbernd. »Töte
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