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Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Titel: Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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einen Moment schwindeln. Ich umkrampfte mit beiden Händen den schlanken Stockdegen, der jetzt natürlich in seiner hölzernen Ummantelung steckte und mir als Spazierstock diente.
    »Zu Diensten, Sir.«
    Die plötzliche Stimme ließ mich erschrocken aufschauen. Die Droschke, die aus einer versteckten Seitenstraße gerollt war und nun vor mir auf der Straße hielt, hatte ich gar nicht bemerkt. Vom Kutschbock her blinzelten mich wache, gutmütige Augen an.
    »Äh – ja. Bitte.« Ich rückte den Kragen meines Umhanges zurecht und löste mich aus dem Schatten des Gebäudes. Der Kutscher schwang sich mit einer eleganten Bewegung vom Bock herab und landete neben mir auf dem Trottoir. Er riß den Wagenschlag auf und vollführte mit der Linken eine übertrieben einladende Geste.
    »Bitte sehr, zu Ihrer Verfügung. Wohin darf ich Sie bringen, Verehrtester?«
    »Nummer 9, Ashton Place, bitte.«
    Seine eher legere Art fiel von ihm ab wie ein hastig geöffneter Mantel. Er straffte sich und wirkte in diesem Moment so lächerlich steif und gespielt vornehm, daß ich unwillkürlich grinsen mußte.
    Ashton Place war nicht irgendeine Straße in London. Es gab wenige Adressen, die noch ehrfurchtsvoller ausgesprochen wurden; der Buckingham Palace zum Beispiel. Am Ashton Place rottete sich fast der gesamte Londoner Adel zusammen, und man konnte den Reichtum, der sich in den großen Herrenhäusern stapelte, beinahe draußen noch riechen.
    Ich war mehr zufällig in diese Gegend verschlagen worden. Das Haus war ein Teil des Erbes, das mir mein Vater vermacht hatte. Der angenehmere Teil. Vom dem geistigen Erbe, das seither auf mir lastete, möchte ich hier erst gar nicht reden.
    »Entschuldigen Sie, Sir«, beeilte sich der Droschkenkutscher zu sagen, »ich wußte nicht, daß der gnädige Herr –«
    »Schon gut«, unterbrach ich ihn und winkte unwillig ab. »Vergessen Sie den ›Gnädigen‹. Fahren Sie mich einfach, okay?«
    »Jawohl, Sir!« Obwohl ich ihm mit dem letzten Wort bewußt meine amerikanische Herkunft angedeutet hatte (ein wahrer Brite würde sich lieber die Zunge abbeißen, als ein »Okay« auszusprechen), konnte der gute Mann wohl doch nicht gegen seine Natur. Er verbeugte sich ein paarmal und half mir in die Kutsche.
    Ich ließ mich schwer auf die Samtbezüge sinken und atmete kräftig durch. Langsam wurde mein Kopf wieder klar. Ich hörte, wie der Kutscher zurück auf seinen Bock kletterte. Die schwankende Bewegung, in die er die Droschke damit versetzte, weckte unangenehme Gefühle in meiner Magengegend. Dann ließ er die Peitsche knallen. Das Gefährt ruckte an und holperte über grobes Backsteinpflaster. Meine Eingeweide begannen im gleichen Takt zu schwingen.
    Ich hatte mit voller Absicht ein Lokal etwas außerhalb der Londoner City gewählt; hier verkehrten nicht die feinen Pinkel wie in den vornehmen Clubs der Innenstadt, sondern jener Menschenschlag, den ich während meiner Jugendzeit in New York kennengelernt hatte: die arbeitende Klasse, herzliche Männer mit derbem Humor und immer für eine Überraschung gut. Wenn auch nicht immer für eine angenehme...
    Fast wünschte ich mir, die letzten Jahre einfach ablegen zu können und wieder zu ihnen zu zählen. Doch diese Sehnsucht war nur eine Reaktion auf die Schrecken, die ich seitdem erlebt hatte. Im Hafen von New York wäre mein Leben auch nur in zwei möglichen Bahnen weiterverlaufen: entweder hinter schwedischen Gardinen oder als Mitglied einer Straßengang. Das bleibt kaum aus, wenn man seinen Lebensunterhalt mit Gaunereien und kleinen Überfällen verdient. Und früher oder später hätte ich es mit einer Kugel im Rücken oder am Galgen beendet.
    Nachdenklich betrachtete ich den großen, kristallenen Knauf des Stockdegens. Er symbolisierte alles, was danach geschehen war, nachdem mich Roderick Andara, der HEXER, in New York aufgespürt und mit sich genommen hatte. Welche Freude hatte mich erfaßt, als ich begriff, daß mein Vater mich wiedergefunden hatte. Und welcher Schrecken und Schmerz, als er schon Wochen darauf in meinen Armen starb. Sein Leben war zu dem meinen geworden, mit all seinem Reichtum und Luxus – und mit all seinen Gefahren. Und wenn der Kampf gegen die GROSSEN ALTEN und ihre Kreaturen auch fast über meine Kräfte ging, so zog ich ihn doch einem Leben in Schmutz und Armut und der Angst vor dem Galgen vor.
    Außerdem hatte ich Freunde gefunden; gute Freunde, die ich lieben und achten gelernt hatte und auf die ich mich blind verlassen

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