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Der Himmel kann noch warten

Der Himmel kann noch warten

Titel: Der Himmel kann noch warten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gideon Samson
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Und trotzdem behaupten sie es. Weil ich ihnen so leidtue.
    »Mek hat ihre Regel bekommen«, schnattert Brie.
    Mek wird ein bisschen rot. »Nicht so laut!«, sagt sie mit einem Blick auf Jan. Aber der schläft.
    »Hast
du
eigentlich schon deine Regel?«, fragt Brie.
    Ich hatte sie schon. Doch jetzt nicht mehr. Eine ganze Weile nicht. Wegen der Medikamente. Aber das geht Brie nichts an.
    Ich schüttele den Kopf. »Noch nicht.«
    »Es ist irre!«, sagt Brie. »Oder, Mek?«
    Mek zuckt mit den Schultern. »Doch, ziemlich«, sagt sie.
    »Ich bekomme auch schon Brüste«, sagt Brie. »Auch total irre.«
    Schön für sie. Ich will es nicht hören. Ich will, dass sie weggeht. »Ihr müsst gehen«, sage ich.
    »Okay«, sagt Mek.
    »Jetzt schon?«, sagt Brie. »Wir sind doch gerade erst da!«
    »Los, komm, Brie«, flüstert Mek. »Belle ist müde.«
    »Danke schön«, sage ich zu Mek.
    »Wir sollen dir noch ganz viele Grüße ausrichten«, sagt Brie.
    Mek nickt. »Von fast der ganzen Klasse.«
    Ich lächele mit zusammengepresstem Mund. Will sagen: schön.
    Brie lächelt zurück. Mit lockeren Lippen. Aber ihr Mund steht immer etwas offen. So kann sie sofort die Dinge herausschnattern, die ihr in den Kopf kommen. Genau wie jetzt. »Alle denken an dich«, schnattert sie.
    Schön.

    Eine Erinnerung.
    Ich war elf. Nein, zwölf schon. Wir hatten Sportstunde. Piepstest. Mek sagte zu Herrn Westdijk, sie fühle sich nicht so gut. Brie tat, als hätte sie ihre Regel. Und Nicolette hatte ihr Asthma.
    »Nicht diese Leier«, sagte Herr Westdijk. »Alle machen mit und Schluss.«
    Brie seufzte sehr übertrieben und Nicolette traten Tränen in die Augen. Herrn Westdijk war das egal. Er teilte die Klasse in zwei Gruppen auf und die erste Gruppe musste sich aufstellen.
    Ich war in der zweiten.
    »Stufe eins.«
    Beim Piepstest muss man innerhalb von zwei Piepsern von der einen Seite der Turnhalle zur anderen laufen. Es geht immer eine Stufe höher (ein bisschen schneller) und man wird immer erschöpfter.
    Bei Stufe fünf hörte Mek schon auf. Sie könne nicht mehr, sagte sie. Herr Westdijk schüttelte den Kopf und schaute in die andere Richtung. Bei Stufe elf waren nur noch Jungs übrig. Ab Stufe dreizehn lief Alex ganz allein. Die Klasse feuerte ihn an, aber er schaffte es nicht mehr innerhalb der Piepser.
    »Die nächste Gruppe«, sagte Herr Westdijk.
    Ich stand bereit. Ich wollte weiter kommen als Brie. Das sowieso. Und nicht als erstes Mädchen ausscheiden. Und eigentlich auch nicht als zweites.
    Stufe eins war lahm. Stufe zwei auch. Bei Stufe sieben ging Nicolette die Puste aus. Sie hörte auf und Herr Westdijk legte einen Arm um sie.
    Stufe acht. Achteinhalb. Neun. Ich lief weiter. Ich war noch nicht müde.
    Bei Stufe zehn waren wir nur noch zu fünft. Willem, Bart, Sergio und ich. Und Brie! Die verrückte Brie rannte mit einem roten Gesicht von der einen zur anderen Seite. Mir war klar, wieso. Sie wollte nicht gegen mich verlieren. Genau wie ich nicht gegen sie. Aber heute würde ich gewinnen. Ich fühlte es. Ich war noch nicht müde. Noch lange nicht.
    Stufe zehn und elf. Brie schaute mich an. Ich schaute zurück. Sie war alle. Sie war leer. Sie gab auf.
    Willem, Bart, Sergio und ich. Stufe zwölf. Weg war Willem. Stufe zwölfeinhalb. Weg war Sergio.
    Die Klasse fing an zu schreien. Ich war das letzte Mädchen. Und nur noch ein Junge war übrig. Ich war immer noch nicht müde.
    Stufe dreizehn. Barts Augen fragten, ob wir aufhören sollten. Zusammen. Das wäre schön. Trotzdem liefen wir weiter.
    Dreizehneinhalb. Vierzehn. Ich flog. Die Klasse schrie, aber ich hörte nur die Piepser.
    Stufe fünfzehn schon? Sechzehn? Ich bemerkte es nicht einmal. Bart und ich schwebten von der einen zur anderen Seite, bis der Bann brach. Bart hielt eine klitzekleine Weile länger durch. Noch weniger als eine halbe Stufe. Und er machte schon seit Jahren Leichtathletik. Wir bekamen beide eine Eins. Ich war das schnellste Mädchen der Klasse. Und schneller als fast alle Jungs.
    Zwei Stunden später, direkt nach der Schule, fragte Bart, ob ich mit ihm gehen wollte. Über Willem. Mit einem Zettel. Beim Radfahren.
    Ich sagte zu Willem, dass es nicht ging. Dass ich nicht verliebt war. Trotzdem radelte ich verliebt nach Hause. Ich war es nämlich doch ein bisschen. In mich selbst.

ANNE FRANK
    »Was schreibst du?«, fragt Jani.
    Ich habe mein Schreibheft auf dem Schoß.
    »Nichts.«
    »Ach«, sagt Jani. »Ich dachte, es wäre ein Tagebuch.«
    Jani ist erst acht.

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