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Der Himmel kann noch warten

Der Himmel kann noch warten

Titel: Der Himmel kann noch warten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gideon Samson
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nette Leute, denn die blöden kommen in die Hölle.«
    »Aha«, sage ich noch einmal. »Ist das so?«
    »Ja.«
    »Und ich darf in den Himmel?«
    Jani nickt.
    »Wieso denn?«
    Jani muss wieder kurz nachdenken. Ich benehme mich ihm gegenüber natürlich sehr gemein. Trotzdem darf ich in den Himmel. Wie kann das sein?
    »Du darfst in den Himmel«, sagt Jani, »weil du krank bist.«
    Das hatte ich mir schon gedacht. Kranke sind ja so arm dran und also gibt es für mich einen Himmel.
    »Und ist Gott auch da?«, frage ich.
    Jani nickt wie verrückt.
    »Das ist sehr schön«, sage ich. »Und sehr gemütlich.«
    Jani denkt nur noch an den Himmel. Er hat einen roten Kopf davon bekommen. »Im Himmel ist es besser als auf der Erde«, sagt er. »Viel besser.«
    Ich sage nichts mehr. Zum Himmel fällt mir nichts mehr ein. Ich nehme mein Schreibheft.
    Und Jani schläft ein.

GRIECHISCHE TRAGÖDIE
    Jani will nicht mehr mit mir reden. Er ist böse, denke ich. Aber er ist noch ein kleiner Junge. Ich werde dafür sorgen, dass er wieder mit mir spricht.
    »Jani?«
    Keine Antwort.
    »Jani, ich möchte dich was fragen.«
    Jani dreht den Kopf in die andere Richtung.
    »Jani, ich wollte fragen, ob du ein Stück aus meinem Schreibheft hören willst.«
    Er ist doch schon ein bisschen ein Jan. Er schaut immer noch in die andere Richtung.
    »Ein schönes Stück«, sage ich. »Etwas Lustiges.«
    Jetzt hält Jani es nicht mehr aus. »Okay«, sagt er.
    Ich schaue zufrieden zu Jani und lasse dann rasch meine Augenbrauen sinken. »Was ich vorlese, ist aber ein Geheimnis, ja?«
    Das gefällt Jani. Er nickt. Geheimnisse sind spannend. Ich setze noch eins drauf.
    »Du musst mir versprechen, dass du es nicht weitererzählst.«
    »Okay«, sagt Jani wieder.
    Aber das ist nicht genug. Ich schüttele den Kopf und sage: »Du musst ‹versprochen› sagen.«

    Eine Erinnerung.
    Ich war elf. Es war das Ende des Schuljahrs. Wir standen vor Ninas Haustür, weil Nina in einer Viertelstunde auswandern würde. Ihr Vater wollte in China Berge versetzen und die ganze Familie musste mit.
    »Ich werde dir etwas verraten«, sagte Nina. Sie klang bitterernst. Sie machte mich neugierig.
    »Was denn?«
    »Ein Geheimnis.«
    »Ja, aber was denn?«
    Nina wartete einen Moment. Sie schaute, ob ihr kleiner Bruder nicht heimlich mitlauschte. Sie sagte: »Es ist eigentlich sehr dumm.«
    Ich nickte. Dumme Geheimnisse konnten auch spannend sein.
    »Du erzählst es aber nicht weiter, nein?«, fragte Nina.
    »Nein, nein.«
    »Niemand darf es je erfahren.«
    »Gut.«
    »Versprochen?«
    »Ja.«
    »Du musst ‹versprochen› sagen.«
    Ich sagte »versprochen« und Nina kam ganz nah zu mir. Sie hielt ihren Mund direkt an mein Ohr. Mir lief ein Schauer über den Rücken.
    »Ich bin verliebt
!«, flüsterte sie.
    Das wunderte mich nicht weiter. Nina war immer verliebt. Meistens in mehrere gleichzeitig. Wo war da das Geheimnis?
    »In unseren Lehrer

    Wie bitte? Was sagte sie da? In Herrn Erik? Sie war verrückt! Ich musste sehr laut lachen. Ich schämte mich ein bisschen, denn das gefiel Nina bestimmt nicht.
    »Entschuldige«, sagte ich, »ich lache dich nicht aus.«
    Nina lachte mit. Ein Glück. Wenn man richtig darüber nachdachte, war es ja auch ziemlich lustig. Verliebt in den Lehrer. Wie konnte man sich so was bloß ausdenken?
    »Wie lange schon?«
    »Schon das ganze Jahr«, sagte Nina. Sie erzählte, dass sie ihn einfach süß fand. Ich musste kichern und sagte, dass in China bestimmt auch viele süße Jungs herumliefen. Nina musste kichern. Mit den Zeigefingern machte ich aus meinen Augen Schlitze. »Ich bin Wong«, sagte ich mit meinem besten chinesischen Akzent, »und ich bin einfach süß.«
    Nina und ich bekamen einen Lachanfall. Es war unser letzter Lachanfall vor dem Auswandern.

    »Versprochen«, sagt Jani.
    Ich blättere durch mein Heft. Ich lese das mit dem Traum und dem Kamel mit den schlaffen Höckern.
    Jani muss lachen. Besonders das Wort »Hängebrüste« findet er lustig. Er wiederholt es mindestens drei Mal. Er lacht immer noch darüber.
    »Das gefällt dir wohl«, sage ich, »Brüste.«
    Jani hört auf zu lachen.
    »Und küssen?«, frage ich. »Findest du das auch lustig?«
    Jani schüttelt den Kopf. »Küssen ist eklig«, sagt er.
    »Ja, ist es das?«
    »Ja.«
    »Wie kommst du denn darauf?« Ich versuche, wie ein ganz erwachsenes Mädchen zu klingen. Obwohl ich gar keine Ahnung davon habe. Vom Küssen. Ich habe es noch nie gemacht. Ich stelle es mir ganz schön

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