Der Himmel über Garmisch (German Edition)
sonst wäre sie nicht mit einer Geldstrafe davongekommen. Bei einer Menge nur für den Eigenbedarf wäre die Summe wahrscheinlich geringer gewesen. Aber er war sich nicht sicher, wie die damalige Rechtsprechung bei den Nachbarn diesbezüglich ausgerichtet war.
Als Nächstes gab er »Nikolaus Siegfried Lasthammer« ein. Das ergab keinen Treffer. Als er den Namen googelte, fand er einen Wikipedia-Eintrag, der ihn als Pseudonym des Schriftstellers und Verlegers Lothar Morgenbraun bezeichnete. Morgenbrauns Bibliografie war recht umfangreich, seine Bücher trugen Titel wie »Im Kampf«, »Und doch geht es weiter«, »Das Wachsen der Hoffnung« oder »Leben unter ewigem Eis« und waren alle im NSL -Verlag erschienen. Schwemmer suchte die Bücher bei einem Onlinehändler. Einige waren tatsächlich noch im Angebot, aber die Ranglistenzahlen waren durchweg hoch sechsstellig, teilweise siebenstellig. Er bezweifelte, dass irgendjemand von diesen Verkäufen leben konnte. Oder einen Mercedes leasen.
Er suchte im Netz nach dem » NSL -Verlag«. Die Website war schlicht gehalten und gab sich weltanschaulich neutral, was man von den verlegten Büchern nicht behaupten konnte. »Die Diktatur der Gutmenschen«, »Die deutsche Atombombe«, »Der geheime Sieg der Wunderwaffen« und »Hitlers Bunkerbauer« waren die aktuellen Topseller. Dazu gab es jede Menge esoterische Lebensberater, Verschwörungstheorien und Ufo-Forschung. Alles albern bis unappetitlich, aber eher nicht verboten.
Als er den Verlagsnamen in die LKA -Datenbank eingab, erschien kein direkter Treffer, aber der Verweis auf einen gewissen Anton Zachl, Jahrgang ’89, der im letzten Jahr beschuldigt worden war, in Kaufbeuren einen geparkten Lieferwagen eines türkischen Lebensmittelhändlers angezündet zu haben. Zachl war als gewaltbereit bekannt. Er hatte eine kurze Jugendstrafe wegen Körperverletzung abgesessen und entsprach der Beschreibung eines Tatzeugen. Bei seiner Vernehmung hatte er den NSL -Verlag als Arbeitgeber angegeben.
Ein Zeuge hatte ihn bei seiner ersten Vernehmung als Täter benannt. Auch der Zeuge trug einen türkisch klingenden Namen. Bei einer Gegenüberstellung hatte er Zachl dann nicht zweifelsfrei wiedererkannt.
Fall ungeklärt.
Schwemmer rief die interne Telefonliste auf und suchte die Nummer der Inspektion in Kaufbeuren. Leider kannte er dort niemanden gut genug, um nach einer persönlichen Einschätzung zu fragen oder nach internen Infos. Er wählte die Nummer des Inspektionsleiters. Der Mann hieß Trenker und reagierte ziemlich verhalten auf den Anruf.
Ja, der Geschädigte war Türke. Ja, der Name hatte auf dem Lieferwagen gestanden. Nein, einen fremdenfeindlichen Hintergrund hatte man nicht vermutet. Schwemmer schien es, als hielte Trenker den Vorfall für so etwas wie groben Unfug. Ja, der Herr Zachl war im Ort als gewalttätig bekannt, aber er hatte sich vehement dagegen verwahrt, als rechtsextrem bezeichnet zu werden. Nein, von politischer Tätigkeit des Herrn Zachl wusste man vor Ort nichts. Und nein, man hatte sich nicht beim Verfassungsschutz erkundigt, warum auch, wo kommen wir denn da hin, wenn wir bei jedem Kleinkram unterstellen, es gebe Nazis im Ort?
Schwemmer bedankte sich und legte auf. Er überlegte eine Weile, dann suchte er nach weiteren Einträgen über Zachl, Anton.
Das erwähnte Verfahren wegen Körperverletzung 2008, drei Wochen Jugendhaft plus Antiaggressionstraining. Zachl hatte gemeinsam mit zwei anderen einen Discobesucher zusammengeschlagen. Die beiden anderen konnten nicht identifiziert werden, Zachl behauptete, sie erst an dem Abend kennengelernt zu haben und ihre Nachnamen nicht zu kennen. Der Name des Opfers war Mohammad Auboumi. Zachl beschuldigte ihn, in der Disco ein Mädchen belästigt zu haben, wofür er allerdings keinen Zeugen benennen konnte, auch nicht das Mädchen. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wurde abgestritten und vom Gericht nicht konstatiert.
In drei weiteren Fällen gab es Beschuldigungen wegen Körperverletzung, alle Opfer trugen ausländische Namen, und alle Ermittlungen wurden angesichts mangelhafter Beweislage eingestellt.
In einem Fall hatte Anton Zachl als Zeuge ausgesagt. Er bestätigte, zum Tatzeitpunkt mit dem Beschuldigten und zwei weiteren Männern Schafkopf gespielt zu haben.
Das Opfer trug den Namen Théo Dumoulin.
Der Beschuldigte hieß Carsten Grellmayer, Polizeioberkommissar aus Garmisch-Partenkirchen.
***
Es klopfte. Dem zaghaften Geräusch nach konnte es nur
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