Der Himmel über Garmisch (German Edition)
Magdalena und die beiden Beamten die Treppe hinauf in das Zimmer des Gewerkschafters. Es war leer. Mit einem Blick ins Bad stellte Magdalena fest, dass sogar die Handtücher fehlten. Der Schrank und das gartenseitige Fenster standen offen.
»Da unten …«, sagte Andi. Magdalena und Kurtmann sahen hinaus. Auf dem noch taufeuchten Rasen waren Einschlagspuren zu sehen.
»Die Koffer hat er aus dem Fenster hinaus, dann ums Haus herum und dann ins Auto«, sagte Andi auf seine unbeholfene Art.
»Und was schuldet der Mann Ihnen?« Zum ersten Mal mischte sich der andere Beamte ein.
Und stellt die erste wichtige Frage, dachte Magdalena.
»Viertausenddreihundertachtundfünfzig Euro«, antwortete sie.
»Und dreiundvierzig Cent«, setzte Andi hinzu.
Die beiden Polizisten sahen sich an und nickten respektvoll.
» Das ist eine Zahl«, sagte der zweite, der nicht Kurtmann hieß, sich aber auch noch nicht vorgestellt hatte.
»Der hat aber auch alles gebucht, was wir anbieten«, sagte Magdalena. Bergführer, Hüttenaufenthalte, Gleitschirmunterricht – was immer gewünscht wurde, organisierte das »Lenas« für seine Gäste und ging dabei in Vorleistung.
Normalerweise rechnete sich das am Ende. Aber nur normalerweise.
Plötzlich hörte Magdalena durch die offene Tür das entfernte »Dingdong« der Tresenglocke im Foyer. Hier oben im ersten Stock war es kaum hörbar, aber seit ihrer Ausbildung war dieser Ton für sie immer so laut wie die Alarmsirene auf einem U-Boot.
»Entschuldigen Sie mich«, sagte sie und eilte die Treppe hinunter. Auf dem mittleren Absatz bremste sie ab, fuhr sich kontrollierend durch die Haare und schritt dann gesetzt weiter.
Vor dem Tresen stand ein Mann.
Wenn Magdalena während der Arbeit etwas durch den Kopf ging, dann waren es professionelle Gedanken. Anderes ließ sie nicht zu. (»Genau wie dein Großvater«, hatte ihre Mutter gesagt, als sie ihr einmal davon erzählt hatte.)
Aber dieser Mann lehnte in einer derart lässig-coolen Art am Empfangstresen, dass ihre professionellen Gedanken ihn sofort zu einem Zechpreller stempelten. Sie wusste ja jetzt, wie die aussahen. Obwohl der vorletzte, mit dem sie es zu tun gehabt hatte, ganz anders ausgesehen hatte als der Betriebsratsvorsitzende.
Der Mann am Tresen sah ihr freundlich entgegen. Aber in seinem Blick stand zugleich die Botschaft, dass er Freundlichkeit eigentlich nicht nötig hatte.
Der Mann konnte auch anders.
Er war schlank und einen Kopf größer als Magdalena, was ihr grundsätzlich immer gefiel. Er hatte dichtes, kurz geschnittenes dunkles Haar und trug zu ihrem Bedauern eine sehr dunkle Sonnenbrille. Sie schätzte ihn auf Ende dreißig. Sein Anzug wirkte schlicht, aber umwerfend: Der dunkelgraue, leicht grobe Stoff fiel elegant und dabei wie unabsichtlich an ihm herab. Und er trug einen Gehrock, was sie bei den meisten Männern affig fand; aber der Mann machte den Eindruck, als trage er selbstverständlich nie etwas anderes.
»Grüß Gott«, sagte Magdalena und trat hinter den Tresen. »Was können wir für Sie tun?«
Eigentlich hatte sie diesen Satz wegen übergroßer Abnutzung aus ihrem Repertoire gestrichen. Aber nach einem frühen Vormittag mit einem schießwütigen Großvater und einem Zechpreller hatte sie gerade keine bessere Phrase parat.
»Ein Maximenü mit ‘ner Cola«, antwortete der Mann denn auch prompt, und Magdalena musste sich zu einem Lächeln zwingen, das weit verkrampfter ausfiel als beabsichtigt.
Aber dann nahm der Mann seine Sonnenbrille ab.
Als Magdalena in die braunen, von goldenen Sprenkeln durchsetzten Augen blickte, war es ihr egal, ob er ein Zechpreller oder ein Proktologe war.
»Entschuldigen Sie den schlechten Scherz bitte; er ist mir so rausgerutscht«, sagte er. »Kant. Jo Kant. Ich hatte reserviert.«
»Ja … natürlich … Herr Kant aus Düsseldorf.« Magdalena tippte auf dem Tresen-Laptop rum, als brauche sie eine Bestätigung, dabei konnte sie die Reservierungen der nächsten vierzehn Tage im Schlaf daherbeten. »Wir … hatten Sie so früh nicht erwartet. Ihr Zimmer ist auch schon frei, wir müssen nur noch … neue Handtücher aufhängen«, sagte sie. »Mögen Sie vielleicht vorher ein Frühstück?«
»Gern. Kaffee, Orangensaft, zwei Rühreier mit Schafskäse, Roggenbrot, Butter und eine F.A.Z. « Kant legte seinen Schlüsselbund auf den Tresen. »Und kümmern Sie sich bitte um mein Gepäck. Mein Wagen steht auf dem Parkplatz. Ist nicht zu verfehlen, steht direkt neben dem
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