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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer Antwort hinderte. Ein Ton von Auflehnung, Haß, Widerstand und Verachtung. Sie war eine Russin, und sie fühlte als Russin. Daß sie einen deutschen Namen trug, interessierte sie nicht. Sie hatte nicht den Namen geheiratet, sondern den Mann Rudolf Bergner.
    »Komm«, sagte er leise. Er sah hinüber zu dem kleinen Altar. »Sie können uns nicht einfach aufladen. Es wird Monate dauern, bis alles so weit ist. Dann wird Winter sein. Er ist unser bester Schutz …«
    Sie klappten die zweite Holzwand wieder vor die Altarnische. Vorher blies Vera Petrowna mit gespitzten Lippen die Lämpchen aus und knickste noch einmal vor dem hölzernen Christus.
    Auf der Dorfstraße kamen ihnen einige Freunde entgegen. Sie schwenkten Zeitungen durch die Luft und lachten. Alkoholdunst flog ihnen voraus; untergefaßt marschierten sie durch das Dorf und sangen. Deutschland, Deutschland, über alles … über alles in der Welt …
    »Sie sind verrückt, Sascha«, sagte Vera Petrowna leise und drückte seine Hand.
    »Freust du dich, Rudi?« schrie einer aus der Menge. »Warst du nicht dagegen, du Idiot?! Hier, lies es doch!« Er schwenkte eine Ausgabe des ›Völkischen Beobachters‹ und hielt sie aufgefaltet Bergner vor das Gesicht. »Lies es doch: Neue Höfe! Die besten Kühe im Stall! Fettschweine! Hühner, Gänse, Puten! Und für jeden von uns ein Gut, das uns keiner jemals wegnehmen kann. Erbhöfe nennen sie es! Was sagst du nun?!«
    »Nichts«, antwortete Bergner laut.
    »Das ist gut!« Die Bauern gröhlten betrunken. »Immer die Schnauze halten, Rudi! Dieser Hitler ist ein Bombenkerl! Er ist unser Mann! Wie sagen Sie jetzt in Deutschland: Heil Hitler!« Einer der Bauern trat auf Bergner zu. Sein Gesicht war rot vor Trunkenheit. »Los, Rudi, los, sag es auch: Heil Hitler.«
    »Ja –«
    »Sag ›Heil Hitler‹, du Schwein!« brüllte der Bauer.
    »Tu es«, sagte Vera Petrowna schwach. Rudolf Bergner biß sich auf die Lippen.
    »Heil – Hitler –«, knirschte er, kaum hörbar.
    »Die rechte Hand hoch zum deutschen Gruß, du Russenknecht. Los, los! Und dann noch mal, laut, daß es alle hören: Heil Hitler!«
    Bergner tat es. Umringt von den drohenden Gestalten reckte er den Arm in den Abendhimmel und schrie laut, sich überschlagend, den neuen deutschen Gruß. Es war wie ein Aufschrei, wie der letzte sich aufbäumende Laut eines Gefolterten.
    Gröhlend, die Zeitungen schwenkend, zogen die betrunkenen Bauern weiter durch Nowy Wjassna. Ihr ›Deutschland, Deutschland über alles …‹ flatterte noch über die Strohdächer und um die Scheunen, um die hohen Balken der Ziehbrunnen und die offenen Schafställe, als es schon Nacht war und Herbstkühle von den Sümpfen herüberwehte.
    »Das ist aus ihnen geworden«, sagte Bergner dumpf. Er saß am Fenster seines Hauses und starrte hinaus in die sternenlose Nacht. Von den Sümpfen herüber flog ein Röhren und Quaken. Die Frösche sangen die Finsternis ein.
    »Man hat ihnen den Himmel versprochen, Sascha … nun beten sie ihn an.« Vera Petrowna strich leicht über seine zerzausten blonden Haare. Von Stephan Jerinski herüber, der im Dorf eine kleine Gastwirtschaft betrieb, dröhnten deutsche Militärlieder. Es waren Lieder aus dem ersten Weltkrieg, wie sie die Väter gesungen hatten, als sie mit den weißrussischen Bataillonen Sewastopol erstürmten.
    »Daß wir Deutschen immer singen müssen«, sagte Bergner leise.
    »Was singen sie …?«
    »Gen Ostland woll'n wir reiten …«
    Vera Petrowna tastete nach seiner Hand. Stumm standen sie am Fenster, sich festhaltend, und sahen hinaus in die Nacht.
    Die Frösche quakten noch immer.
    Es klang kaum anders als die Lieder aus Jerinskis Wirtschaft.
    *
    Knapp acht Tage später fuhr wieder Igor Igorowitsch Semjow in Nowy Wjassna ein.
    Er fand ein anderes Dorf vor.
    Verwundert hielt er seinen klapprigen Wagen mitten auf der Dorfstraße und wunderte sich, daß weder der Bürgermeister Bergner noch die anderen Bauern zusammenliefen, noch daß die Mädchen am Brunnen ihn begrüßten oder die Kinder wie sonst ehrfurchtsvoll seinen Wagen umstanden und nur heimlich ›swinja‹ auf die dreckige Kühlerhaube schrieben.
    Es war überhaupt niemand da, der ihn beachtete. Es war, als sehe man durch ihn hindurch, als sei er überhaupt nicht vorhanden.
    »He!« schrie Semjow über die Straße zu einigen Hirten hin, die in der Sonne saßen und Machorka in selbstgeschnitzten Pfeifen rauchten. »Habt ihr Blei in den Hintern?!«
    »Das wirst du merken, wenn du sie

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