Der Himmel über Kasakstan
uns leckst!« schrie einer zurück.
Wütend schlug Igor Igorowitsch die Tür seines Wagens zu und stampfte durch den aufquellenden Staub zum Hause Rudolf Bergners. Mischa, der Krüppel, grinste ihm zu und spuckte Sonnenblumenkerne vor seine Füße.
»Ich schlage dir dein Gehirn aus dem Wasserkopf, du Kretin!« schrie Semjow wütend. Mit dem Fuß stieß er die Tür zum Wohnzimmer auf und stemmte die Hände in die Hüften, als er Bergner am Fenster sitzen sah. »Was ist hier los?« brüllte er. »Auf der Straße grüßt mich keiner! Mischa, deine Fehlgeburt, spuckt mich an …« Er blieb an der Tür stehen und musterte Bergner mit seinen schräggestellten Augen. Sein gelbes Gesicht war gerötet und wie aufgedunsen. »Was ist hier los?« wiederholte er.
»Das kannst du noch fragen, Igor Igorowitsch? Seitdem Moskau uns alle zu Deutschen gemacht hat, pfeifen wir auf eure sowjetischen Normen. Ihr habt uns statt Stalin einen Hitler gegeben …« Bergner hob die Schultern. »Nun warten wir, was Hitler uns zu befehlen hat. Du weißt doch, Semjow, daß der Deutsche immer befohlen werden muß.«
»Ich werde es dem Sowjet in Shitomir melden!« kreischte Semjow. »Das ist Sabotage!«
Bergner erhob sich. »Ich habe mich gewehrt, Nowy Wjassna zu verlassen. Aber ich muß, weil ich Deutscher bin. Jetzt wehre ich mich dagegen, daß ein solch dreckiges Schwein wie du hier in meiner Stube steht und mich anbrüllt! Was willst du noch, Igor Igorowitsch?!«
»Ich hetze euch die GPU auf den Hals!«
Bergner lächelte. Er ging an Semjow vorbei, öffnete die Tür, drehte sich herum, faßte Semjow an dem Kragen seines Mantels, riß ihn herum, stieß ihn zur Tür hinaus und trat ihn dabei in das feiste Gesäß. Wie eine Kugel schoß Igor Igorowitsch auf den Platz vor der Scheune und mußte sich an einer Wagendeichsel, die er gerade fassen konnte, festhalten, um nicht in den Staub zu fallen.
Mit gesenktem Kopf verließ Semjow den Bergnerschen Hof. Ich werde sie verrecken lassen, dachte er. Wenn sie abziehen, werde ich alles von ihren Wagen werfen lassen, was mehr wiegt als fünfzig Pfund. Alles! Ich werde verantwortlich sein für den Transport von Nowy Wjassna nach Shitomir … es ist eine schöne, einsame Strecke, auf der ich sie quälen werde, bis sie sich selbst erschießen.
Er verließ das Dorf sofort, aber er kam am nächsten Tag wieder. Diesmal brachte er drei junge Leute mit … Burschen von 17 und 18 Jahren, Schüler der Komsomolzenschule in Shitomir, die in Korosten ihr landwirtschaftliches Praktikum machten. Sie hatten dunkelgrüne Hosen und Röcke an, Uniformen ähnlich, trugen auf den kahlgeschorenen Schädeln grüne Schirmmützen und benahmen sich hochmütig und fast spöttisch.
Igor Igorowitsch war in bester Stimmung. Er schritt an den staunenden Bauern vorbei und ließ seine drei Helfer einen Stapel Holzschilder schleppen, die er auf dem Brunnenplatz aufschichtete. Dann holte er Hammer und einen Kasten Nägel aus dem Auto und entfaltete eine Liste.
»Fangen wir an, Genossen«, sagte er mit fast jubelnder Stimme zu den drei jungen Burschen. »Zuerst bei Bergner. Dort, der Misthof! Wird in einem Jahr unter russischer Leitung eine Musterkolchose werden! An den Zaun kommt Plojenski.«
Die Komsomolzenschüler nahmen ein Schild, Hammer und Nägel und nagelten das Schild mit dem Namen Plojenski an den Zaun.
»Weiter!« rief Semjow. Er schwenkte seine Liste und zeigte auf den Nachbarhof.
»Boljekow!«
Ein Schild, ein Hammer, Nägel … Am Zaun stand Boljekow.
So ging es weiter. Von Hof zu Hof, von Zaun zu Zaun. Stumm folgte den vier Sowjets die Masse der Bauern, die von ihren Frauen aus den Gärten, von den Feldern, von den Weiden geholt worden waren. Es war wie eine Prozession. Vorweg Semjow mit seiner Liste. Dann zwei Komsomolzen mit den Schildern, gefolgt von dem Burschen mit Hammer und Nagelkiste. Hinter ihnen, in Dreierreihe, die Bauern und Frauen.
An jedem Zaun oder Bauernhaus blieben sie stehen, und es wurde ein Schild mit einem Namen angenagelt.
Krajenkow … Bulschestin … Sinjanowitsch … Petrikow … Adenorenkow … Pjuljew …
Namen … Namen … auf Holzschildern mit dicker, schwarzer Farbe geschrieben.
Nach seinem Rundgang, der über eine Stunde gedauert hatte, war Semjow wieder bei seinem Auto angekommen. Kinder hatten auf den Schmutz der Haube ›skotina‹ (Rindvieh) geschrieben. Es konnte aber auch eine Erwachsenenhand gewesen sein. Semjow las es mit Vergnügen.
»Wie gut ihr Russisch könnt«,
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