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Der Historiker

Der Historiker

Titel: Der Historiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Kostova
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stand jetzt ein anderes Buch, eines, das einen sehr alt aussehenden Rücken hatte, auf dem das Bild einer kleinen Kreatur eingraviert war. Ich zog es heraus, und es fiel in meiner Hand gleich in der Mitte auf, wo… Nun, den Rest kennen Sie.‹
    Sein freundliches Gesicht war blass geworden, und er suchte erst in der Hemd-, dann in den Hosentaschen, bis er eine Schachtel Zigaretten fand. ›Sie rauchen nicht?‹ Er steckte sich eine an und zog kräftig daran. Ich war fasziniert von der Anmutung des Buches, seinem offensichtlichen Alter, dem Furcht einflößenden Anblick des Drachen – von alldem, was auch Sie an Ihrem Exemplar beeindruckt hat. Um drei Uhr morgens war keiner der Bibliothekare mehr da, also ging ich an den Katalog und grub ein wenig darin herum, aber alles, was ich fand, war Vlad Tepes’ Name und seine Herkunft. Da kein Bibliotheksstempel im Buch war, nahm ich es mit nach Hause.
    Ich schlief sehr schlecht und konnte mich am nächsten Morgen absolut nicht auf meine Prüfung konzentrieren. Alles, woran ich denken konnte, war, dass ich in anderen Bibliotheken suchen und vielleicht nach London fahren sollte, um zu sehen, was ich dort über meinen Fund herausfinden konnte. Aber mir blieb keine Zeit, und als ich zu meiner Hochzeit fuhr, nahm ich das kleine Buch mit und sah es mir von Zeit zu Zeit immer wieder an. Elspeth erwischte mich dabei, und als ich die Umstände erklärte, wollte sie nichts damit zu tun haben, gar nichts. Das war fünf Tage vor unserer Hochzeit, und ich konnte einfach nicht aufhören, an das Buch zu denken und ihr damit in den Ohren zu liegen, bis sie sagte, ich solle endlich aufhören.
    Dann eines Morgens – das war zwei Tage vor unserer Hochzeit – hatte ich eine plötzliche Eingebung. Nicht weit vom Dorf meiner Eltern gibt es ein ehrwürdiges Gebäude aus der Zeit Jakobs I. zu dem Touristen in ganzen Busladungen kommen. Bei unseren Schulausflügen dorthin hatte ich es immer für äußerst langweilig gehalten, aber jetzt erinnerte ich mich, dass der Edelmann, der es hat bauen lassen, ein Buchsammler gewesen war und Bücher aus der ganzen Welt besessen hatte. Da ich erst nach unserer Hochzeit nach London fahren konnte, dachte ich, es könnte nicht schaden, ein wenig in der berühmten Bibliothek des Hauses herumzustöbern, vielleicht würde ich ja dort etwas über Transsilvanien finden. Ich erzählte also meinen Eltern, ich wolle einen Spaziergang machen, und wusste, sie nahmen an, dass ich zu Elsie ginge.
    Es war ein regnerischer Morgen, neblig dazu und kalt. Die Betreuerin des Hauses sagte, heute sei für Besucher nicht geöffnet, aber sie ließ mich ein, damit ich mir die Bibliothek ansehen konnte. Sie hatte im Dorf von der Hochzeit gehört, kannte meine Großmutter und kochte mir eine Tasse Tee. Als ich schließlich meinen Regenmantel ausgezogen und zwanzig Regalreihen mit Büchern von der Europareise des Edelmannes aus der Zeit Jakobs I. gefunden hatte, die besonders weit nach Osten reichte, hatte ich bereits alles andere vergessen.
    Ich sah durch all diese Wunder und andere, die der alte Edelmann in England gesammelt hatte, vielleicht nach seiner Reise, bis ich auf eine Geschichte Ungarns und Transsilvaniens stieß. Darin fand ich einen Hinweis auf Vlad Tepes dann noch einen und schließlich, zu meiner Freude und Verwunderung, tatsächlich einen Bericht von Vlads Begräbnisplatz im Kloster Snagov, vor dem Altarraum der Kirche, die er dort neu ausgestattet hatte. Der Bericht war eine Art Legende, aufgezeichnet von einem englischen Abenteurer, der auf einer Reise durch die Gegend gekommen war. Der Mann nannte sich selbst ›Einen Reisenden‹, so stand es auf der Titelseite, und er war ein Zeitgenosse des Sammlers. Das muss rund hundertdreißig Jahre nach Vlads Tod gewesen sein.
    Der Reisende hatte das Kloster Snagov im Jahre 1605 besucht. Er hatte ausführlich mit den Mönchen gesprochen, die ihm erzählten, der Legende nach sei ein großes Buch, ein Schatz des Klosters, während Vlads Beisetzung auf dem Pult ausgelegt gewesen, und die Mönche, die an der Zeremonie teilnahmen, hätten ihre Namen darin eingetragen, wobei die, die nicht schreiben konnten, einen Drachen hineingezeichnet hätten, dem heiligen Drachenorden zu Ehren. Unglücklicherweise wurde nicht erwähnt, was später mit dem Buch geschehen war. Dennoch fand ich das alles höchst bemerkenswert. Dann, schrieb der Reisende, habe er gebeten, das Grab sehen zu dürfen, und die Mönche zeigten ihm einen flachen Stein

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