Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Historiker

Der Historiker

Titel: Der Historiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Kostova
Vom Netzwerk:
Ecke Ungarns, wie er erklärte. Die Präliminarien hatten wir bereits hinter uns gebracht – an welchen Universitäten wir waren, dass meine Dissertation im Moment auf Eis lag (er schmunzelte, als ich ihm erzählte, wie sehr Professor Sandor bei meiner Vorstellung übertrieben hatte), was Hugh an der Geschichte des Balkans interessierte und dass sein nächstes Buch die osmanischen Städte Europas zum Thema haben würde.
    ›Ist etwas gestohlen worden?‹ Hugh füllte mein Glas.
    ›Nichts‹, sagte ich verdrießlich. ›Ich hatte natürlich kein Geld im Zimmer gelassen oder andere… Wertsachen. Mein Pass ist an der Rezeption, soweit ich weiß, vielleicht liegt er auch bei der Polizei.‹
    ›Wonach haben sie dann gesucht?‹ Hugh prostete mir kurz zu und nahm einen Schluck.
    ›Das ist eine sehr, sehr lange Geschichte‹, seufzte ich. ›Aber es passt ganz gut zu ein paar anderen Dingen, über die wir reden sollten.‹
    Er nickte. ›In Ordnung. Dann schießen Sie mal los.‹
    ›Nur wenn Sie es anschließend auch tun.‹
    ›Aber natürlich.‹
    Ich trank die Hälfte meines Glases zur Stärkung aus und erzählte die Geschichte von Beginn an. Ich hätte den Wein nicht gebraucht, um meine Zweifel zu zerstreuen, ob ich Hugh James Rossis gesamte Geschichte erzählen sollte. Wenn ich ihm nicht alles erzählte, würde ich möglicherweise auch nicht alles erfahren, was er wusste. Er hörte mir schweigend und ganz offenbar gebannt zu; erst als ich zu Rossis Entscheidung kam, Nachforschungen in Istanbul anzustellen, schreckte er hoch. ›Bei Jupiter‹, sagte er. ›Da wollte ich selbst schon hin. Wieder hin, meine ich. Ich war zweimal dort, aber nicht auf der Suche nach Dracula.‹
    ›Den Aufwand kann ich Ihnen ersparen.‹ Diesmal füllte ich ihm sein Glas nach und erzählte ihm von Rossis Abenteuer in Istanbul und von seinem Verschwinden, worauf Hughs Augen noch weiter hervorquollen, obwohl er nichts sagte. Schlussendlich beschrieb ich ihm, wie ich Helen getroffen hatte, ließ auch ihre Beziehung zu Rossi nicht aus, und fasste unsere Reisen und was wir bis heute herausgefunden hatten zusammen, einschließlich unserer Treffen mit Turgut Bora. ›Und so‹, schloss ich, ›bin ich kaum überrascht, dass man uns die Hotelzimmer auf den Kopf gestellt hat.‹
    ›Ja, das stimmt.‹ Er schien für einen Augenblick vor sich hin zu brüten. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits einiges an warmen und kalten Speisen verputzt, aber er legte seine Gabel mit offenkundigem Bedauern ab, dass es nicht noch mehr gab. ›Es ist absolut erstaunlich, dass wir uns hier so treffen. Was mich traurig stimmt, ist von Professor Rossis Verschwinden zu hören – sehr traurig. Das ist furchtbar befremdlich. Bis zu Ihrer Geschichte jetzt hätte ich nicht unbedingt damit gerechnet, dass bei Nachforschungen über Dracula mehr als das Übliche herauskäme. Nur dass ich die ganze Zeit schon ein seltsames Gefühl hatte, was mein Buch anging. Man sollte sich zwar nicht zu sehr auf eigenartige Gefühle verlassen, aber da haben wir es nun.‹
    ›Offenbar haben Sie keine so großen Schwierigkeiten damit, mir zu glauben, wie ich befürchtet hatte.‹
    ›Und diese Bücher‹, sinnierte James. ›Ich zähle jetzt vier davon: meines, Ihres, Professor Rossis und das von diesem Professor in Istanbul. Es ist verdammt seltsam, dass es vier davon geben soll.‹
    ›Haben Sie Turgut Bora einmal kennen gelernt?‹, fragte ich. ›Sie sagten, Sie seien verschiedentlich in Istanbul gewesen.‹
    Er schüttelte den Kopf. ›Nein. Ich habe den Namen noch nicht einmal gehört. Aber er ist ja auch Literaturwissenschaftler, so dass ich ihm kaum am historischen oder bei einer Tagung begegnen konnte. Ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie mich eines Tages mit ihm zusammenbrächten. Ich war nie in dem Archiv, das Sie beschrieben haben, aber ich habe in England davon gelesen und schon darüber nachgedacht, einmal selbst die Nase hineinzustecken. Sie haben mir den Aufwand jedoch erspart, wie Sie sagen. Ich habe das Bild nie für eine Karte gehalten, den Drachen in meinem Buch. Was für ein außergewöhnlicher Gedanke.‹
    ›Ja, und für Rossi geht es möglicherweise um Leben und Tod‹, sagte ich. ›Aber jetzt sind Sie an der Reihe. Wie sind Sie zu Ihrem Buch gekommen?‹
    Er sah ernst drein. ›Wie Sie es in Ihrem Fall beschrieben haben – und auch für die beiden anderen –, habe ich es weniger gefunden als vielmehr erhalten, wenn ich auch nicht sagen kann, woher

Weitere Kostenlose Bücher