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Der Historiker

Der Historiker

Titel: Der Historiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Kostova
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Sie… Angst hatten?«
    »Ich war außer mir vor Angst.«
    »Aber später haben Sie weitere Nachforschungen zu Ihrem merkwürdigen Buch angestellt – oder in Auftrag gegeben?«
    »Ja, vor allem die chemische Analyse am Smithsonian. Aber als sie ergebnislos blieben – und auf Grund einiger anderer Einflüsse –, habe ich die ganze Sache schließlich aufgegeben und das Buch zurück ins Regal gestellt. Dort oben hin.« Er nickte zum obersten Brett seines Bücherkäfigs hinauf. »Es ist merkwürdig – ich denke gelegentlich an diese Ereignisse, und manchmal scheine ich mich äußerst klar an alle Einzelheiten zu erinnern, und dann wieder nur bruchstückhaft. Ich nehme an, Vertrautheit verscheucht selbst die schrecklichsten Erinnerungen. Und es gibt auch Phasen – die Jahre andauern können – , während derer ich überhaupt nicht daran denken möchte.«
    »Aber glauben Sie wirklich… Dieser Mann mit den Wundmalen am Hals…«
    »Was hätten Sie gedacht, wenn er vor Ihnen gestanden hätte und Sie hätten sich im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte gefühlt?« Rossi lehnte sich an seine Bücherwand, und für einen Moment klang seine Stimme erbittert.
    Ich nahm einen letzten Schluck kalten Kaffee. Er war sehr bitter, der Kaffeesatz. »Und Sie haben nie wieder versucht herauszufinden, was die Karte bedeutete und woher sie stammte?«
    »Nie.« Es schien, als wollte er eine Pause machen. »Nein. Das ist eine der wenigen Fragen, der ich, da bin ich sicher, nie weiter nachgehen werde. Ich habe jedoch eine Theorie, die besagt, dass dieser grässliche Pfad der Gelehrsamkeit, wie so viele weniger scheußliche, etwas ist, wo einer einen kleinen Fortschritt macht, dann ein anderer, und alle tragen etwas von ihrer Lebenszeit bei. Vielleicht haben drei solche Menschen vor Jahrhunderten genau das getan, indem sie diese Karten anfertigten, Dinge hinzufügten, obwohl, wie ich zugeben muss, die talismanhaften Sprüche des Korans sicher nicht das Wissen darüber vorangetrieben haben, wo denn nun das wirkliche Grab von Vlad Tepes liegt. Und natürlich könnte das alles auch ausgemachter Unsinn sein. Es ist absolut möglich, dass er tatsächlich in seinem Inselkloster begraben wurde und dort auch friedlich wie eine gute Seele geblieben ist – was er zu Lebzeiten nicht war.«
    »Aber Sie glauben das nicht.«
    Wieder zögerte er. »Die Wissenschaft muss voranschreiten. Zum Guten oder Bösen, unvermeidlich, auf jedem Feld.«
    »Waren Sie je in Snagov, um sich irgendwie selbst zu überzeugen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe meine Erkundungen eingestellt.«
    Ich stellte meine eiskalte Tasse ab. »Aber einiges an Information haben Sie noch«, riet ich langsam.
    Er langte noch einmal zwischen die Bücher auf dem obersten Bord und holte einen versiegelten braunen Umschlag herunter. »Natürlich. Wer würde schon seine Forschungsergebnisse völlig zerstören? Ich habe aus dem Gedächtnis aufgezeichnet, an was ich mich von den drei Karten erinnern konnte; und ich habe meine Notizen aufgehoben, die ich an jenem Tag bei mir im Archiv hatte.«
    Er legte den ungeöffneten Umschlag zwischen uns auf den Tisch und berührte ihn mit einer Sanftheit, die für mich nicht zum Schrecken seines Inhalts passen wollte. Vielleicht war es dieser Widerspruch, oder auch die Nacht, die draußen vor dem Fenster den Frühlingsabend schluckte – meine Nervosität wuchs. »Meinen Sie nicht, das könnte eine gefährliche Hinterlassenschaft sein?«
    »Ich wünschte bei Gott, darauf mit einem Nein antworten zu können. Aber vielleicht ist sie doch nur im psychologischen Sinne gefährlich. Das Leben ist besser, gesünder, wenn wir nicht unnötig über Schrecken brüten. Wie Sie wissen, ist die menschliche Geschichte voller schrecklicher Taten, und vielleicht sollten wir ihrer mit Tränen gedenken, nicht mit Faszination. Die Sache liegt jetzt so viele Jahre zurück, dass ich mir meiner Erinnerungen an Istanbul nicht einmal mehr sicher sein kann, und ich bin nie wieder dorthin zurückgekehrt. Wobei ich das Gefühl habe, sowieso alles mit mir mitgenommen zu haben, was es für mich zu erfahren gab.«
    »Um fortzufahren, meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Aber Sie wissen immer noch nicht, wer die Karte angefertigt haben könnte, die zeigte, wo sich das Grab befindet? Oder befand?«
    »Nein.«
    Ich streckte die Hand nach dem braunen Umschlag aus. »Brauche ich einen Rosenkranz, wenn ich da hineinsehe, oder sonst eine Art Zauberspruch?«
    »Ich bin sicher, Sie verfügen

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