Der Historiker
Dortselbst berichtete er uns von den merkwürdigen und wundervollen Geschehnissen seines Lebens. Stefan der Wanderer zählte dreiundfünfzig Jahre, als er an unser Tor schlug; er war ein weiser und frommer Mann, der viele Länder gesehen hatte. Dank sei der Heiligen Mutter, die ihn von Bulgarien zu uns führte, wohin er mit einer Gruppe Mönche aus der Walachei gewandert war und viele Leiden durch die Hände ungläubiger Türken hatte erfahren müssen; zwei seiner Freunde sah er in der Stadt Haskovo zu Märtyrern gemacht. Er und seine Brüder trugen einige Reliquien von wunderbarer Kraft durch das Land der Ungläubigen. Mit diesen Reliquien zogen sie in einer Prozession tief in das Gebiet der Bulgaren und waren berühmt im ganzen Land, so dass Christenmänner und Christenfrauen von überallher kamen und die Wege säumten, als die Prozession vorbeizog. Sie verbeugten sich vor ihnen oder küssten die Seiten ihres Wagens. Die Reliquien wurden ins Kloster Sveti Georgi gebracht und dort in einen Schrein gelegt. Obwohl das Kloster klein und entlegen war, kamen viele Pilger auf ihrem Weg von den Klöstern Bachkovo und Rila und selbst vom heiligen Berge Athos dorthin. Aber Stefan der Wanderer war der Erste hier, den wir kannten, der in Sveti Georgi gewesen war.
Als er einige Monate mit uns gelebt hatte, fiel auf, dass er nicht frei über das Kloster Sveti Georgi sprach, obwohl er von den anderen gesegneten Orten, die er besucht hatte, viele Geschichten zu erzählen wusste und sie gemäß seiner frommen Natur mit uns teilte, damit wir, die wir immer nur in einem Land gelebt, dadurch Wissen gewönnen über die Wunder der Kirche Christi in fremden Ländern. So berichtete er uns einmal von einer wunderbaren Inselkapelle in der Bucht von Maria, in venezianischen Gewässern, auf einer Insel so klein, dass die Wellen gegen ihre vier Küsten schlugen, und von dem Inselkloster des Sveti Stefan zwei Tagesreisen südlich die Küste hinunter, wo er den Namen des Schutzheiligen annahm und seinen Taufnamen aufgab. Dies alles berichtete er uns und vieles mehr, einschließlich des Sichtens schrecklicher Ungeheuer im Marmarameer.
Auch berichtete er uns oft von den Kirchen und Klöstern der Stadt Konstantinopel, bevor die ungläubigen Truppen des Sultans sie entweihten. Ehrfurchtsvoll beschrieb er uns ihre unschätzbaren, Wunder wirkenden Ikonen, so wie das Bildnis der Jungfrau in der Kirche der Hagia Sophia und ihre verschleierte Ikone im Heiligtum von Blachernae. Er hatte die Gräber des heiligen Johannes Chrysostomos und der Kaiser besucht und den Kopf des heiligen Basilius in der Kirche des Panachrantos sowie zahlreiche andere heilige Reliquien. Welch Glück für ihn und für uns, die Empfänger seiner Geschichten, dass er schon jung die Stadt wieder verlassen hatte, um auf Wanderschaft zu gehen; denn so war er weit entfernt, als der Teufel Mohammed in ihrer Nähe eine diabolisch starke Festung baute, um die Stadt anzugreifen, und bald schon die großen Mauern Konstantinopels stürmte und seine edlen Einwohner tötete oder versklavte. Als Stefan in weiter Ferne die Nachricht davon vernahm, weinte er mit dem Rest der Christenheit um die gemarterte Stadt.
Und mit sich brachte er in seinen Satteltaschen seltene und wundervolle Bücher in unser Kloster, die er gesammelt hatte und aus denen er göttliche Inspiration bezog, denn er war ein Meister des Griechischen und Lateinischen, vieler slawischer Sprachen und wahrscheinlich vieler anderer noch. All diese vielen Dinge berichtete er uns und stellte seine Bücher in unsere Bibliothek, auf dass sie ihr auf ewig zum Ruhm gereichten, was sie auch taten, obwohl die meisten von uns nur in einer Sprache lesen konnten und einige in gar keiner. Er gab uns diese Geschenke und sagte, dass auch er seine Reisen beendet hätte und wie seine Bücher für immer in Zographou bleiben würde.
Nur ich und ein anderer Bruder bemerkten, dass Stefan nie von seinem Aufenthalt in der Walachei sprach, nur, dass er dort Novize gewesen sei; und bis kurz vor Ende seines Lebens sprach er auch nicht von dem bulgarischen Kloster Sveti Georgi. Denn als er zu uns kam, war er schon krank und litt unter Fieber in den Gliedmaßen. Nach weniger als einem Jahr sagte er uns, er hoffe, sich bald schon vor den Thron des Erlösers zu knien, wenn denn genug seiner Sünden von dem Einen vergeben werden könnten, der allen wahrhaft Reumütigen vergibt. Als er mit seiner letzten Krankheit darniederlag, bat er, unserem Abt beichten zu
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