Der Historiker
dürfen, denn er habe Böses gesehen und dürfe mit diesem Wissen nicht sterben. Den Abt traf seine Beichte sehr, und er trug mir auf, sie ihm noch einmal abzunehmen und das Gehörte aufzuschreiben, denn er, der Abt, wünsche einen Brief darüber nach Konstantinopel zu schreiben. Ich folgte ihm in aller gebotenen Eile und schrieb alles ohne Fehler auf, indem ich an Stefans Bettstatt saß und mit einem Herzen voller Grausen der Geschichte lauschte, die er geduldig mir erzählte, worauf er die heilige Kommunion erhielt, im Schlaf verstarb und in unserem Kloster begraben wurde.
DIE ERZÄHLUNG VON STEFAN AUS SNAGOV
getreu aufgeschrieben von Zacharias dem Sünder
Ich, Stefan, nach Jahren der Wanderschaft und dem Verlust der geliebten und heiligen Stadt meiner Geburt, Konstantinopel, zog ich auf der Suche nach Ruhe in das Land nördlich des großen Flusses, der die Bulgaren von Dazien trennt. Ich wanderte durch die Ebene und die Berge und fand schließlich meinen Weg zu dem Kloster, das auf der Insel im Snagov-See steht, ein aufs Schönste abgeschiedener und verteidigbarer Ort. Der gute Abt hieß mich willkommen, und ich setzte mich mit den Mönchen zu Tisch, die so demütig und dem Gebet hingegeben waren wie nur sonst Mönche, die ich auf meinen Reisen getroffen hatte. Sie nannten mich ihren Bruder und teilten Speise und Trank mit mir, und ich fühlte mich in der Mitte ihres andächtigen Schweigens friedvoller als seit vielen Monaten. Da ich hart arbeitete und dem Abt demütig in jede Richtung folgte, gestattete er mir bald schon, bei ihnen zu bleiben. Ihre Kirche war nicht groß, aber von größter Schönheit, und sie hatte berühmte Glocken, die über das Wasser klangen.
Diese Kirche und das Kloster hatten die größte Unterstützung und stärkste Befestigung vom Fürsten der Region erhalten, Vlad, Sohn des Vlad Dracul, der zweimal vom Sultan und anderen Feinden von seinem Thron verjagt worden war. Lange war er gefangen von Matthias Corvinus, dem König der Magyaren. Dieser Fürst Dracula war sehr tapfer, und er gewann von den Ungläubigen in verwegenem Kampf viele der Gebiete zurück, die sie einst gestohlen hatten; von der Kriegsbeute gab er dem Kloster und wünschte, dass wir für ihn und seine Familie und seine Sicherheit beteten, was wir taten. Einige der Mönche flüsterten, dass er durch übermäßige Grausamkeit gesündigt und als Gefangener des ungarischen Königs sich zum lateinischen Glauben habe bekehren lassen. Aber der Abt wollte kein schlechtes Wort über ihn hören und hatte ihn und seine Männer bereits mehr als einmal im Allerheiligsten der Kirche versteckt, als ihn andere Edelmänner suchten und töten wollten.
Im letzten Jahr seines Lehens kam Dracula in das Kloster, wie er es früher schon öfter hatte tun wollen. Ich sah ihn damals nicht, da der Abt mich und einen anderen Mönch mit einem Auftrag zu einer anderen Kirche geschickt hatte, mit der es etwas auszuhandeln gab. Als ich zurückkam, hörte ich, dass der Fürst Drakulya da gewesen sei und neue Kostbarkeiten gebracht habe. Ein Bruder, der sich bei den Bauern der Gegend um unsere Vorräte kümmerte und viele Geschichten hörte, flüsterte, dass Dracula ebenso gut einen Sack Ohren oder Nasen bringen könne wie einen Sack voller Gold, aber als der Abt von dieser Bemerkung hörte, strafte er ihren Urheber sehr gründlich. So sah ich Vlad Dracula nie lebend, aber ich sah ihn im Tod, worüber ich bald genug berichten werde.
Etwa vier Monate ging die Kunde, dass er in einem Kampf umzingelt, gefangen und von den ungläubigen Soldaten erschlagen worden sei, aber erst nachdem er vierzig von ihnen mit seinem großen Schwert getötet habe. Die Soldaten des Sultans schlugen ihm den Kopf ab und nahmen ihn mit sich, um ihn ihrem Meister zu zeigen.
Alles das wussten die Männer in Fürst Draculas Heerlager, und obwohl sich viele nach seinem Tod versteckten, brachten einige von ihnen die Kunde und ebenso seinen Leichnam ins Kloster Snagov, worauf auch sie flohen. Der Abt weinte, als er sah, wie sie den Leichnam aus dem Boot hoben, und er betete laut für die Seele des Fürsten und um den Schutz Gottes, weil das Krummschwert der Ungläubigen jetzt sehr nahe war. Er befahl, den Körper in der Kirche aufzubahren.
Es war einer der schrecklichsten Anblicke, derer ich je angesichtig wurde, die kopflose Leiche in Rot und Purpur gekleidet und umgeben von vielen flackernden Kerzenflammen. Wir wachten in der Kirche, hielten die heilige Totenwache
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