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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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sonnigen Steine stehen bleibend, auf dem ein fremder Falter saß und seine Flügel breitete - so hätte man sie für Elfen der Einöde gehalten, um so mehr, wenn man die Geister- und Zaubergeschichten gewußt hätte, die ihnen Gregor von manchen Stellen des Waldes erzählte, wodurch vor ihrer Fantasie er, sie, und die Umgebung in ein Gewirre von Zauberfäden gerieth - - oder wenn sie in der bereits milder werdenden Herbstsonne auf ihrer Wiese am Rande des Gerölles saßen, auf irgend einem grauen Felsblocke ausruhend, Johanna das kinderlockige Haupt auf den Schooß ihrer Schwester gelegt, und diese mit klarem, liebreichem Mutterauge übergeneigt, in einem Gespräche des sichersten Vertrauens versunken - und wenn dem Siegel des Mundes das Herz nachfloß, und sie schweigend saßen, die schönen Hände ineinander gelegt, wie zwei Liebende, bewußtvoll ruhend in der gränzenlosen Neigung des Andern, und wenn Johanna meinte, nichts auf Erden sei so schön, als ihre Schwester, und Clarissa, nichts sei so schuldlos, als Johanna: so ist es, als schweige die prangende Wüste um sie aus Ehrfurcht, und die tausend kleinen Glimmertäfelchen der Steinwand glänzen und blitzen nur so emsig, um einen Sternenbogen um die geliebten Häupter zu spannen.
    Oder noch märchenhafter war es, wenn eine schöne Vollmondnacht über dem ungeheuren dunklen Schlummerkissen des Waldes stand, und leise, daß nichts erwache, die weißen Traumkörner ihres Lichtes darauf niederfallen ließ, und nun Clarissens Harfe plötzlich ertönte - man wußte nicht woher, denn das lichtgraue Haus lag auf diesen großen Massen nur wie ein silberner Punkt - und wenn die leichten einzelnen Töne wie ein süßer Pulsschlag durch die schlafende Mitternachtluft gingen, die weithin glänzend, elektrisch, unbeweglich auf den weiten schwarzen Forsten lag: so war es nicht anders, als ginge sachte ein neues Fühlen durch den ganzen Wald, und die Töne waren, als rühre er hie und da ein klingend Glied, - das Reh trat heraus, die schlummernden Vögel nickten auf ihren Zweigen und träumten von neuen Himmelsmelodieen, die sie morgen nicht werden singen können, - und das Echo versuchte sogleich das goldne Räthsel nachzulallen. - - Und als die Harfe längst schwieg, das schöne Haupt schon auf seinem Kissen ruhte - - horchte noch die Nacht; der senkrecht stehende Vollmond hing lange Strahlen in die Fichtenzweige, und säumte das Wasser mit stummen Blitzen - indessen ging die Wucht und Wölbung der Erde, unempfunden und ungehört von ihren Bewohnern, stürmend dem Osten zu - der Mond wurde gegen Westen geschleudert, die alten Sterne mit, neue zogen in Osten auf - - - und so immer fort, bis endlich mitten unter ihnen am Waldrande ein blasser milchiger Lichtstreifen aufblühte - ein frisches Lüftchen an die Wipfel stieß - und der erste Morgenschrei aus der Kehle eines Vogels drang! - - -
     
     

4. Waldsee
     
    Es waren schon viele Tage und Wochen vergangen - Erwarten und Fürchten, keines war um die Breite eines Haares vorgerückt! - In gleicher Schönheit, so oft sie es suchten, stand das Vaterhaus in dem Glase ihres Rohres, in gleichem tiefem Frieden lagen die an ihren Wald gränzenden bewohnten Länder, obgleich sie recht gut wußten, daß draußen, wohin ihr Blick nicht mehr reiche, der Qualm des Krieges liege, der jeden Augenblick an ihrem Gesichtskreise sichtbar werden könne.
    Ihr Garten, der Wald, unbekümmert um das, was draußen vorging, förderte sein Werk für diesen Sommer, ja er hatte es fast abgethan; denn die milde Spätsonne goß schon ihr Licht trübselig auf die bunten, gelben und rothen Herbststreifen, die sich durch das Duftblau der Wälder hinzogen. - - Da geschah es eines Tages, daß die zwei Mädchen und Gregor jenseits des See's am Ufer saßen ihrem Hause gegenüber. Sie waren ziemlich weit von demselben entfernt, und sahen auf jene Stelle, wo der Blockenstein in den See stürzt, ihre Waldwiese von dem andern Lande trennend. Die Knechte waren schon seit drei Tagen um Lebensmittel aus und wurden Abends zurückerwartet. Die Sonne des Nachsommers war so rein, so warm und einladend, daß das Herz sich traulich hingab - die zwei Mägde waren in das Gebirg gegangen, um Brombeeren zu suchen, und unsre kleine Gesellschaft, nachdem sie Gregor über den See geschifft und dann an schönen Stellen herumgeführt hatte, saß jetzt der lauen Luft genießend in angenehmer Müdigkeit auf einem großen Steine, um den die Glut rothen Herbstgestrippes und dichter

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